Glück ist eine Lebenshaltung
Eine Reise in die 13 glücklichsten Länder. Das Thema Glück hat nach wie vor Hochkonjunktur. Und die Fragen lauten immer gleich: Wo ist das Glück? Wann kommt es endlich zu mir? Was muss ich tun, damit es bleibt?
SAMSTAG, 4.
JULI 2015 „Glück ist ganz unspektakulär und nur das Ergebnis dessen, was wir täglich mit unserem Leben anstellen und welche Werte wir wirklich leben.“Diese Erkenntnis setzt Maike van den Boom am Ende ihrer Reise romantischen Glücksvorstellungen entgegen. In den Slums von Costa Rica wie in Vorstandsetagen in Dänemark, in Cafés in Schweden wie auf den Straßen in Panama hat sie eines entdeckt: Wer auf Eigenverantwortung, Humor und Vertrauen setzt, lädt das Glück zum Bleiben ein. SN: Auf der Glücksskala von null bis zehn, wo stehen Sie jetzt gerade? Van den Boom: So bei 8,5. SN: Im Jahr 2013 sind Sie von Ihrer Reise in die 13 glücklichsten Länder der Welt zurückgekehrt, halten Sie seither diesen hohen Wert? Ich bin ein glücklicher Mensch. Durch die Reise ist mir bewusster geworden, was ich bereits richtig mache und woran ich noch ein bisschen feilen könnte, um das Glück konstant zu halten. Ich tue etwas für mein Glück, und das ist einer der Faktoren, der mir in allen Glücksländern begegnet ist: Glück ist Lebenspriorität Nummer eins, und dafür sind die Menschen bereit, sich anzustrengen. Denn für ein glückliches Leben sollte man eben mehr tun als drei Mal pro Woche zum Sport gehen. SN: Das klingt wie eine Anleitung zum Glücklichsein. Ist es ja auch. Es geht in meinem Buch nicht um dieses flüchtige Hochgefühl des Glücks, sondern darum, eine glückliche Person zu sein und das über lange Zeit. Dazu gehören übrigens auch einmal schlechte Laune oder kleine und große Krisen. Wer ein glücklicher Mensch ist, kann auch einmal richtig unglücklich sein. Nur gelingt es in den glücklichsten Ländern besser, sich wieder aus dem Sumpf zu ziehen, und das machen sie mit sehr viel Gelassenheit und Humor. SN: Es existieren unzählige Rankings der glücklichsten Länder der Erde. Nach welchen Kriterien haben Sie Ihre Entscheidung getroffen und damit Ihre Reiseziele ausgewählt? Das Ranking von Professor Ruut Veenhoven von der Erasmus-Universität Rotterdam, einem Pionier der Glückforschung, hat mich überzeugt. Seine „World Database of Happiness“listet folgende Länder auf: Panama, Island, Schweiz, Finnland, Dänemark, Schweden, Australien, Luxemburg, Mexiko, Norwegen, Kolumbien, Costa Rica und Kanada. In all diesen unterschiedlichen Ländern bekam ich in Bezug auf das, was ihr Glück bedingt, immer dieselben Antworten. In Deutschland hingegen steht man dem Glück immer etwas skeptisch gegenüber. Klar ist Costa Rica dabei, da scheint ja immer die Sonne. Und die Schweiz? Klar, das Geld! Wenn ich dann aber erzähle, dass Island, das monatelang in Kälte und Dunkelheit sitzt und mit den Folgen des Staatsbankrotts zu kämpfen hat, auf Platz zwei der glücklichsten Länder steht, dann wird man auch hier nachdenklich. SN: Heißt das, wir sind einfach zu blöd, um glücklich zu sein? Nein, das kann man so nicht sagen. Wir befinden uns immer als Einzelperson im Kontext einer Gemeinschaft. Neben dem, dass jeder selbst an seinem Glück arbeiten kann, kann einem das die Gesellschaft, in der man lebt, erleichtern oder erschweren. Und das hat wiederum mit den Werten in der Gesellschaft zu tun. Gibt es einen kulturellen Anteil am Glück? Diese Frage war der Anlass meiner Reise. SN: Welche Antworten haben Sie gefunden? In jedem Land habe ich einen anerkannten heimischen Wissenschafter, eine Wissenschafterin besucht, der oder die zum Thema Glück forscht. Dann traf ich „ganz normale Menschen“, vom Papiersammler, von Slumbewohnern, Lehrerinnen, Kellnern bis hin zu Managerinnen. Quer durch. Und dann stellte ich noch „ausländischen Bewohnern“(Auslandsdeutschen oder deutschen Korrespondenten), die das jeweilige Land seit längerer Zeit aus kultureller Distanz beobachten konnten, meine Fragen. SN: Sie haben allen Interviewten die Frage gestellt: Was würden Sie den Deutschen in puncto Glück raten? Wie viele Glücksbringer, also Lebensmodelle für ein konstant glückliches Leben, bringen Sie von Ihrer Reise mit? Es sind gar nicht viele, vielmehr ähneln sich die Aussagen in allen Ländern: Nimm dir Zeit für dich und die anderen. Verbringe Zeit mit deiner Familie und deinen Freunden. Lebe in Verbundenheit mit anderen. Die Basis dafür ist Vertrauen: 70 Prozent der Dänen vertrauen ihren Mitmenschen, im Vergleich tun das nur 38 Prozent der Deutschen. Professor Eduardo Will Herrera, Ökonom und Glücksforscher in Kolumbien, meinte: „Das Wichtigste ist, dass die Menschen ihre Freiheit benutzen, um glücklicher zu werden, indem sie ihre Lebensqua- lität und den Zustand der Gesellschaft und der Familien verbessern. Es geht nicht um Schicksal, Gott oder ob ich hier oder dort geboren bin. Ich muss daran arbeiten, zufrieden mit meinem Leben zu sein.“Aber auch den Mut zu haben, sein Leben frei zu gestalten, ist ein wichtiger Glücksbringer. SN: Sie haben vor Ihrer Reise schon zwei Jahre in Mexiko gelebt. Wie nahmen Sie es damals wahr? Ach, damals habe ich das Land gar nicht so gesehen wie jetzt bei meiner Reise: Ich war nur darauf fokussiert, was funktionierte und was nicht. Darum geht es aber gar nicht. Die Mexikaner sind unglaublich lebensdurstig und humorvoll und haben ein unglaubliches Improvisationstalent. SN: Ist Ihr Buch ein Ratgeber? Ein Reisebericht? Unter welcher Rubrik sollte es in Buchhandlungen und Büchereien stehen? Mir ist es am liebsten, wenn es auch im Bereich Wirtschaft steht. Klar, es ist auch ein Reisebericht, klar, es enthält auch Lebensentwürfe, die man gern ausprobieren möchte. Aber ich denke, wir müssen auch an die Unternehmen ran, dazu versuche ich auch als Vortragsrednerin und Trainerin beizutragen. Humanistische Grundwerte wie Respekt, Gleichheit und weniger Abgrenzung durch Hierarchien, Status oder Besitz sind eindeutig das, was Menschen glücklich macht und ihnen den Raum gibt, das Beste aus ihren Talenten zu machen. Davon profitieren auch die Unternehmen, das sehen wir sehr stark in Skandinavien. Das Gehalt sollte niemals Schmerzensgeld sein, schließlich verbringen wir alle viel Lebenszeit in den Unternehmen: Aber auch sie sind Spiegel der Werte, die eine Gesellschaft prägen. SN: Island hat seine Finanz- und Wirtschaftskrise durchlebt. Norwegen wurde 2011 von einem Attentat schwer getroffen. In Mexiko werden täglich tausend Menschen entführt. Wie machen die Bewohner nach Krisen bzw. unter diesen Umständen weiter? Sie machen weiter. Norweger sagen: Jetzt erst recht. Wir stehen zu unseren Werten, wir bleiben ihnen treu. Alles andere wäre einfach grausam, Angst ist ein schlechter Ratgeber. Seit der Krise ist die Jugend in Island sogar ein bisschen glücklicher als vorher, die Menschen nehmen sich mehr Zeit füreinander, für Familie, aber vor allem auch für die Gemeinschaft. Krisen schweißen auch zusammen. Die Grundhaltung in allen Ländern ist: Überall sind Menschen, die potenziell meine Freunde sind, mit denen ich mein Land und meine Stadt teile.