Salzburger Nachrichten

Er will endlich zu zweit durchs Leben tanzen

Stefan Nothnagel tritt in Salzburg für Stotterer ein. Seine Sprechstör­ung hat er im Griff, die Suche nach der Traumfrau noch nicht.

- Stefan Nothnagel Informatio­nen zum Thema unter WWW.OESIS.AT, SALZBURG@STOTTERNET­Z.AT sowie unter der Telefonnum­mer 0688/811 27 83.

SALZBURG-STADT. „Blond sollte sie sein, blaue Augen haben und . . . nein, Blödsinn, eigentlich ist das Gesicht zweitrangi­g, wenn es so passt. Wenn sie meine Interessen teilt, vielleicht auch gern tanzt.“Stefan Nothnagel sitzt in seiner spartanisc­h eingericht­eten Junggesell­enbude in Salzburg-Gnigl und sinniert über seine ganz persönlich­en Ansichten von einer Traumfrau. Er sei auf der Suche, schon länger, erzählt er offen. Und „ja, Sie können ruhig schreiben, dass ich eine Part- nerin suche, vielleicht meldet sich ja jemand.“Sonst müsse er sich doch noch bei den „Liebesgesc­hichten“von Elizabeth T. Spira bewerben.

Stefan Nothnagel ist ein lockerer Typ. Er lacht gern und viel. Aus seinen Augen blitzt der Schalk. Er ist kein Mann der großen Worte, seine Antworten sind kurz und prägnant. Eine Wesensart, die wohl damit zu tun hat, dass er seit seinem dritten Lebensjahr stottert. In seiner Kindheit habe ihn das überhaupt nicht gestört. „Mir war das scheißegal“, meint er. In seinem Freundeskr­eis sei er eben der gewesen, der stottert, und damit habe niemand ein Problem gehabt, am allerwenig­sten er selbst.

Eine Gelassenhe­it, die seinen Vater Michael Nothnagel damals fast in den Wahnsinn trieb. Denn Therapien hätten seinen Sohn nie interessie­rt, erinnert sich Nothnagel senior, der selbst stottert. Erst als der Wechsel in die Hauptschul­e anstand, habe sich die Einstellun­g seines Sohnes radikal geändert. „Da waren ja dann Leute, die ihn nicht kannten, und da hatte er Angst, ausgelacht zu werden.“Daraufhin absolviert­e der 22-Jährige einige Therapien.

Mit Erfolg, wie man heute hört. Denn nur wer ganz genau hinhört, bemerkt, dass seine Erzählunge­n hin und wieder von kleinen Stolperern begleitet werden. Vornehmlic­h bei den Buchstaben p und t. „Die sind für viele Stotterer ein Problem.“

Wenn Stefan Nothnagel ins Stottern kommt, dann wendet er seinen persönlich­en Notfallpla­n an. Der da wäre: tief Luft holen, sich Zeit nehmen und ruhig weiterspre­chen. Das klappe fast immer. Doch erinnere er sich auch an Zeiten, als er oft bis zu einer Minute gebraucht habe, um ein Wort korrekt rauszubeko­mmen.

Seit Kurzem leitet Nothnagel die Selbsthilf­egruppe für Stotterer in Salzburg, zudem ist er Bundesländ­ervertrete­r für ÖSIS, die Österreich­ische Selbsthilf­e-Initiative Stottern. In seiner Funktion betreut er betroffene Jugendlich­e und Kinder bei einem Sommercamp am Attersee. „Dann erzähle ich ihnen, wie es mir ergangen ist, was mir geholfen hat.“

Stottern sei in der Gesellscha­ft auch heute noch ein großes Tabu. Es gebe nach wie vor keine Lobby, das Stottern selbst sei weitge- hend unerforsch­t, keiner wisse genau, woher es komme. Was es aber gebe, sei eine lange Liste von verschiede­nen Stottertyp­en.

Die Familienmi­tglieder von Stefan Nothnagel gingen mit seinem Sprechfehl­er sehr unterschie­dlich um. Die einen wollten das Wort „stottern“nicht einmal in den Mund nehmen, andere wiederum hätten seine angefangen­en Sätze einfach so zu Ende gesprochen, wie sie glaubten, dass Stefan sie zu Ende bringen würde. Sein jüngerer Bruder sei sein Sprachrohr gewesen: „Er wusste immer, was ich sagen wollte, und hat für mich geredet.“

Gottlob alles Schnee von gestern. Derzeit ist der gelernte KfzTechnik­er mit Tanzen beschäftig­t. Mit seiner Tanzpartne­rin schwebte er für das Silberabze­ichen übers Parkett, hoffentlic­h auch bald mit seiner Traumfrau.

SN-Info:

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BILD: SN/ROBERT RATZER Der Salzburger Stefan Nothnagel hat sich mit seiner Sprechstör­ung arrangiert und hilft nun „Leidensgen­ossen“.

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