Er will endlich zu zweit durchs Leben tanzen
Stefan Nothnagel tritt in Salzburg für Stotterer ein. Seine Sprechstörung hat er im Griff, die Suche nach der Traumfrau noch nicht.
SALZBURG-STADT. „Blond sollte sie sein, blaue Augen haben und . . . nein, Blödsinn, eigentlich ist das Gesicht zweitrangig, wenn es so passt. Wenn sie meine Interessen teilt, vielleicht auch gern tanzt.“Stefan Nothnagel sitzt in seiner spartanisch eingerichteten Junggesellenbude in Salzburg-Gnigl und sinniert über seine ganz persönlichen Ansichten von einer Traumfrau. Er sei auf der Suche, schon länger, erzählt er offen. Und „ja, Sie können ruhig schreiben, dass ich eine Part- nerin suche, vielleicht meldet sich ja jemand.“Sonst müsse er sich doch noch bei den „Liebesgeschichten“von Elizabeth T. Spira bewerben.
Stefan Nothnagel ist ein lockerer Typ. Er lacht gern und viel. Aus seinen Augen blitzt der Schalk. Er ist kein Mann der großen Worte, seine Antworten sind kurz und prägnant. Eine Wesensart, die wohl damit zu tun hat, dass er seit seinem dritten Lebensjahr stottert. In seiner Kindheit habe ihn das überhaupt nicht gestört. „Mir war das scheißegal“, meint er. In seinem Freundeskreis sei er eben der gewesen, der stottert, und damit habe niemand ein Problem gehabt, am allerwenigsten er selbst.
Eine Gelassenheit, die seinen Vater Michael Nothnagel damals fast in den Wahnsinn trieb. Denn Therapien hätten seinen Sohn nie interessiert, erinnert sich Nothnagel senior, der selbst stottert. Erst als der Wechsel in die Hauptschule anstand, habe sich die Einstellung seines Sohnes radikal geändert. „Da waren ja dann Leute, die ihn nicht kannten, und da hatte er Angst, ausgelacht zu werden.“Daraufhin absolvierte der 22-Jährige einige Therapien.
Mit Erfolg, wie man heute hört. Denn nur wer ganz genau hinhört, bemerkt, dass seine Erzählungen hin und wieder von kleinen Stolperern begleitet werden. Vornehmlich bei den Buchstaben p und t. „Die sind für viele Stotterer ein Problem.“
Wenn Stefan Nothnagel ins Stottern kommt, dann wendet er seinen persönlichen Notfallplan an. Der da wäre: tief Luft holen, sich Zeit nehmen und ruhig weitersprechen. Das klappe fast immer. Doch erinnere er sich auch an Zeiten, als er oft bis zu einer Minute gebraucht habe, um ein Wort korrekt rauszubekommen.
Seit Kurzem leitet Nothnagel die Selbsthilfegruppe für Stotterer in Salzburg, zudem ist er Bundesländervertreter für ÖSIS, die Österreichische Selbsthilfe-Initiative Stottern. In seiner Funktion betreut er betroffene Jugendliche und Kinder bei einem Sommercamp am Attersee. „Dann erzähle ich ihnen, wie es mir ergangen ist, was mir geholfen hat.“
Stottern sei in der Gesellschaft auch heute noch ein großes Tabu. Es gebe nach wie vor keine Lobby, das Stottern selbst sei weitge- hend unerforscht, keiner wisse genau, woher es komme. Was es aber gebe, sei eine lange Liste von verschiedenen Stottertypen.
Die Familienmitglieder von Stefan Nothnagel gingen mit seinem Sprechfehler sehr unterschiedlich um. Die einen wollten das Wort „stottern“nicht einmal in den Mund nehmen, andere wiederum hätten seine angefangenen Sätze einfach so zu Ende gesprochen, wie sie glaubten, dass Stefan sie zu Ende bringen würde. Sein jüngerer Bruder sei sein Sprachrohr gewesen: „Er wusste immer, was ich sagen wollte, und hat für mich geredet.“
Gottlob alles Schnee von gestern. Derzeit ist der gelernte KfzTechniker mit Tanzen beschäftigt. Mit seiner Tanzpartnerin schwebte er für das Silberabzeichen übers Parkett, hoffentlich auch bald mit seiner Traumfrau.
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