Der Ruf nach Solidarität und ihre Grenzen
Dem Jubel über das Nein bei der Volksabstimmung könnte rasch Ernüchterung folgen, wenn die Regierung Tsipras nicht rasch handelt.
In den siegestrunkenen Jubel aller, die bei der Volksabstimmung in Griechenland Nein gesagt haben, mischen sich schon am Tag danach bittere Wermutstropfen. Denn es ist offensichtlich, dass Alexis Tsipras sich selbst, das griechische Volk und ganz Europa in eine schier ausweglose Lage gebracht hat.
Man muss respektieren, dass die Mehrheit der Griechen den bisherigen Sparkurs der Geldgeber ablehnt. Man muss aber auch Verständnis dafür haben, dass die übrigen Mitglieder der Eurozone es ablehnen, dass Griechenland ihnen vorschreibt, welchen Weg die anderen 18 Länder zu gehen haben. Tsipras & Co. wollen die Eurozone zum vermeintlichen Besseren verändern. Gut. Aber in jedem Club, dem man freiwillig beigetreten ist, muss man Regeln einhalten – oder, wenn man sie ändern will, dafür Verbündete suchen. Gelingt das nicht, muss man damit rechnen, dass die übrigen Mitglieder einen nicht mehr dabeihaben wollen. An diesem Punkt sind wir angelangt.
Die ersten Reaktionen aus Europa lassen wenig Neigung erkennen, mit den Griechen erneut zu verhandeln, auch wenn der Rücktritt von Finanzminister Yanis Varoufakis die Gesprächsatmosphäre verbessern sollte. Doch der taktische Schachzug, ihn aus dem politischen Porzellanladen abzuziehen, in dem der Ökonom wie der sprichwörtliche Elefant agierte, reicht nicht, um das zerbrochene Vertrauen zu kitten. Und dass die Regierung ihre Bürger glauben macht, sie könnte binnen Tagen erreichen, was ihr in fünf Monaten nicht gelang, macht es nicht besser.
Dennoch ist es unumgänglich, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Und sei es nur, um den geordneten Ausstieg Griechenlands aus dem Euro zu koordinieren. Den zu verhindern wird mit jedem Tag schwieriger. Das Land drücken zwar hohe Schulden, aber die größte Gefahr ist, dass ihm das Geld ausgeht. Man kann die Banken noch einige Zeit über Wasser halten, aber sie nicht ewig geschlossen halten. Gibt es keine Euros mehr, muss die Drachme her.
Wenn Tsipras das nicht will, muss er endlich vorlegen, was seine Regierung für eine Wende zum Besseren in Griechenland tut. Viel Zeit ist dafür nicht. Nur die Solidarität Europas einzufordern, ohne selbst tätig zu werden, ist zu wenig. Und es überfordert die Menschen in den Geberländern, wo der Wille zur Solidarität und damit die Politiker an Grenzen stoßen. Europa ist darin geübt, Konflikte durch Kompromisse zu lösen. Aber für faule Kompromisse zulasten aller gibt es keine Zustimmung der Bevölkerung mehr – nicht in Griechenland und nicht im übrigen Europa.