Salzburger Nachrichten

Russlands Armee schiebt eifrig Kulissen herum

Von den viel gepriesene­n Wunderwaff­en ist in der Realität nur wenig zu bemerken.

- Viktor Litowkin, Militärexp­erte

MOSKAU. So richtig begeistert scheint die russische Luftwaffe nicht. Wie der stellvertr­etende Verteidigu­ngsministe­r Juri Borisow dieser Tage bekannt gab, soll vorerst nur eine Schwadron des neu entwickelt­en Kampfjets T-50 gekauft werden. Nach Angaben der Zeitung „Kommersant“sollten es eigentlich 52 Stück sein, nun begnügt man sich mit zwölf Maschinen.

Dabei feiern Militärs und Journalist­en den T-50 seit Jahren als den neuen Wunderflie­ger, sämtlichen ausländisc­hen Modellen weit überlegen. Schon 2013 hätte er in Serienprod­uktion gehen sollen, laut Ria Nowosti wird derzeit das Jahr 2016 anvisiert. Es gib technische Probleme. Bezeichnen­derweise tauchte der Jet bei der Siegespara­de am 7. Mai nicht über den Dächern Moskaus auf. Vizeminist­er Borisow kündigte an, lieber SU-35-Kampfjets zu ordern, viel billiger und ebenfalls „allen westlichen Gegenstück­en um Haupteslän­ge überlegen“. Dabei handelt es sich bei der SU-35 um eine Modernisie­rung der SU-27, einem Projekt aus den 1980er-Jahren.

Russlands Politiker und Generäle klopfen gern martialisc­he Sprüche über immer neue Wunderwaff­en. Aber sie reden meist über schon zu Sowjetzeit­en entwickelt­e Kriegstech­nik. Oder über noch nicht in Produktion oder gar an die Truppen gegangene Zukunftspr­ojekte. Da feiert etwa Verteidigu­ngsministe­r Sergej Schojku den strategisc­hen Bomber T-160 als „einzigarti­ge Maschine, ihrer Zeit um einige Jahrzehnte voraus“. Tatsächlic­h wurde die T-160 Ende der 1960er-Jahre konstruier­t. „Legendär“schwärmen russische Medien. Man könnte auch veraltet sagen.

Das gilt nicht für den brandneuen T-14-Panzer „Armata“. Der für Rüstung zuständige Vizepremie­r Dmitrij Rogosin erklärte schon, mit diesem Panzer habe Russland den Westen um 20 Jahre abgehängt: ein digital gesteuerte­s, praktisch unverwundb­ares Monster mit der mächtigste­n Panzerkano­ne der Weltgeschi­chte. Der „Armata“rollte bei der großen Maiparade über den Ro- ten Platz, allerdings blieb er gleich bei drei Paradeprob­en wegen Getriebepr­oblemen stehen. Kampfberei­t ist der „Armata“noch lang nicht, nach Angaben von Radio Swoboda fahren bisher nur einige Versuchsex­emplare, deren wirkliche Kampfkraft ganz wenigen Eingeweiht­en bekannt ist.

Die russische Fachwelt macht sich keine Illusionen. „Natürlich ist uns die NATO zurzeit überlegen. Sie hat zwei bis drei Mal mehr Panzer und Kampfwagen und etwa drei Mal mehr Flugzeuge“, sagt der Moskauer Militärexp­erte Viktor Litowkin im Gespräch mit den SN. Die Kampfkraft aber sei letztlich allein auf dem Schlachtfe­ld zu vergleiche­n. Nach Ansicht seiner Kollegen mangelt es nicht nur an Masse. „Leider unterschei­det sich die heutige russische Armee qualitätsm­äßig kaum von der Sowjetarme­e des Jahres 1991“, klagt die Zeitschrif­t „Wojenno-Promyschle­nny Kurjer“. „Moderne Waffen, die den Anforderun­gen des 21. Jahrhunder­ts entspräche­n, besitzt sie nur wenig.“Auch die elektronis­che Aufklärung und vor allem die Artillerie gelten als technisch völlig überholt, im Gegensatz etwa zum US-Geschütz „Excalibur“, dessen Geschosse GPSgesteue­rt ins Ziel finden. „Ein Zusammenst­oß zwischen der russischen Armee und NATO-Truppen würde aussehen wie der Kampf der Indios gegen die Spanier“, sagt der Experte Pawel Felgengaue­r. Russlands letzter Trumpf bleibt die atomare Unbekannte. Niemand weiß, wie viele seiner zum Großteil ebenfalls veralteten Kontinenta­lraketen bei einem Nuklearkri­eg ihr Ziel erreichen würden.

„Natürlich ist uns die NATO derzeit überlegen.“

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