Anwälte üben harte Kritik an Gesetzgebung
Unübersichtliches Asylrecht, dazu sei das geplante Staatsschutzgesetz inakzeptabel: Im Wahrnehmungsbericht der Advokaten steht Brisantes.
Alles andere als zufrieden sind Österreichs Rechtsanwälte mit der aktuellen Gesetzgebung beziehungsweise mit den gesetzlichen Reformvorhaben der Bundesregierung. Rupert Wolff, Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages (ÖRAK), sprach am Montag anlässlich der Präsentation des bereits 41. ÖRAK-Wahrnehmungsberichts (Wahrnehmungen von 2014 bis April 2015) von „bedenklichen Entwicklungen“. Zudem hätten die Anwälte auch in der Rechtspflege und in der Justizverwaltung zahlreiche Defizite und Missstände gemeldet, sagte Wolff.
Man sei immer wieder mit Eilgesetzgebungen konfrontiert, konstatierte der Anwaltspräsident: Begutachtungsfristen würden derart knapp angesetzt, dass eine seriöse Begutachtung nicht möglich sei. Beispiel: Statt der vom Bundeskanzleramt empfohlenen sechswöchigen Mindestfrist habe diese etwa bei der Urheberrechtsnovelle für eine Stellungnahme des ÖRAK gerade einmal zehn Tage betragen.
Ein Exempel für die immer stärker werdende „Regulierungsflut“– seit dem Jahr 2014 war der Kammertag demnach mit mehr als 250 (!) Gesetzes- und Verordnungsentwürfen befasst – sei das Asyl- und Fremdenrecht. Wolff: „Bereits zum 13. Mal innerhalb von nur zehn Jahren wurde auch 2014 eine Novelle des Fremdenrechts vorgenommen. Von den inhaltlichen Kritikpunkten ganz abgesehen ist dieses Rechtsgebiet wegen der vielen Novellierungen sogar für Experten kaum mehr zu durchblicken.“Die untragbare Folge: Für die Betroffenen selbst sei es daher so gut wie unmöglich, die aktuelle Gesetzeslage zu erfassen.
Die Unterbringung von Asylbewerbern in Zelten – wie etwa in der Stadt Salzburg – lehnt Wolff übrigens als „unwürdig“ab.
Auch eine vermeintliche Tendenz der Regierung bzw. der staatlichen Behörden hin zu massiven Eingriffen in Grund- und Freiheitsrechte orten die Anwälte: So würde das geplante „Polizeiliche Staatsschutzgesetz“erweitere, teilweise unverhältnismäßige Eingriffsbefugnisse der Behörden in die Privatsphäre der Bürger schaffen. Auch die Abschaffung des Bankgeheimnisses werten die Anwälte als „Schritt des Staates weg von den Bürgern“.
Seit Jahren – und auch jetzt wieder – wird im Wahrnehmungsbe- richt der Anwälte die hohe Gebührenbelastung kritisiert, wodurch der Zugang des Bürgers zur Justiz zunehmend beschränkt werde.
Unter der Rubrik „Praxisfälle“sind im Bericht auch diverse Wahrnehmungen der rund 6000 heimischen Rechtsanwältinnen und -anwälte aus ihrer täglichen Arbeit bei Gericht aufgelistet.
So wurde von „unangebrachten Äußerungen“von Richtern berichtet – etwa von jener eines Strafrichters, der in der Hauptverhandlung bei der Abfrage der Generalien den Angeklagten fragte, ob er sich „von Mandl auf Weibl“habe umoperieren lassen.
Beschwerden gab es etwa auch im Zusammenhang mit der Beiziehung von Dolmetschern, schilderte Wolff. Im Rahmen eines schon länger zurückliegenden Verfahrens in Klagenfurt sei ein ausländischer Beschuldigter ohne Dolmetsch vernommen worden. Dem nicht genug, habe dann die Vernehmung eines weiteren ausländischen Beschuldigten „unter Beiziehung des ersten Beschuldigten als Dolmetscher (!) stattgefunden“.
Insgesamt, so konstatierte Präsident Rupert Wolff, ergebe der Wahrnehmungsbericht aus Kammersicht ein Bild, das „absolut verbesserungswürdig“sei.
„Wir wirken Fehlverhalten entgegen.“