Aber der Richtige, wenn’s einen gibt für mich auf dieser Welt
Arabella sucht ihn, um ihre Familie zu retten. Aber findet sie auch das Ideal? Die Antwort in München bleibt aus.
Arabella ist eine spröde Schöne. Sie will erst gewonnen werden. Dazu braucht es Stilgefühl, Finesse, Fantasie. Die Rede ist von der letzten Zusammenarbeit zwischen Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss, der Oper „Arabella“, 1933 in Dresden uraufgeführt und heute nicht mehr oft auf den Spielplänen. Die Salzburger Osterfestspiele brachten 2014 eine von Christian Thielemann und der Dresdner Staatskapelle maßgeschneiderte Version in Allstar-Besetzung (Renée Fleming, Thomas Hampson). Dem folgte am Montag die Bayerische Staatsoper, auch ein Strauss-Tempel der besonderen Art, mit jüngerer, aber nicht weniger hochkarätiger Besetzung (Anja Harteros, Thomas J. Mayer).
Während in Salzburg Florentine Klepper in breit gezogen elegantem Dekor nur ein Arrangement einrichtete, hat in München der bekannte Filmregisseur Andreas Dre- sen („Wolke 9“, „Halt auf freier Strecke“) sein Heil in der Entstehungszeit der 1930er-Jahre und sein Symbol in einer expressionistischen Architektur mit Riesentreppe (Bühne: Mathias Fischer-Dieskau, Kostüme: Sabine Greuning) gesucht.
Freilich gelang es weder Klepper noch Dresen, in welchem Ambiente immer, so interessante Konstellationen zu schaffen, dass die Figuren zu Menschen aus Fleisch und Blut geworden wären. Anja Harteros bewegt sich gemessen wie eine alabasterne Schönheit, verschließt dabei auch ihre Stimme diesmal wie eine Auster, aus der nur vereinzelt lyrische Perlen wie kostbare Strahlen auftauchen – dann aber ist schon Seligkeit angesagt.
Ihr Mandryka, der Mann aus den Wäldern, der sich in ihr Bild verliebt und deswegen stante pede nach Wien aufgebrochen ist, ist ein grobianischer Kerl mit weichem Kern, den Thomas J. Mayers strapazfähiger Bariton nicht ohne Mühe herauszuschälen versucht.
Geld regiert seine Welt (Teschek, bedien dich), und davon kann der durch Spielsucht verarmte Graf Waldner (unverwüstlich: Kurt Rydl) nie genug kriegen. Seine Familie reagiert unterschiedlich: Seine Frau Adelaide (Doris Soffel) versucht, Stand und Ehre zusammenzuhalten und gibt sich dabei in kurzen Momenten eigenen Lüsten hin. Arabella „opfert“sich auf und flüchtet in eine schnelle, nach Möglichkeit ideale, reiche Ehe, deren Erreichung sie aber auch selbstbewusst macht. Einziger Coup der atmosphärelosen, faden, immer zu ödem Rampentheater tendierenden Münchner Inszenierung: Nach der Eifersuchtswut schüttet sie ihrem geknickten Bauern das symbolhafte Glas Wasser ins Gesicht.
Ihre Schwester Zdenka, deren Intrige fast in die Katastrophe führt, ist ein erbarmungswürdig zerrissener Charakter: Sie muss in Männerkleidern aufwachsen, weil für zwei Mädel das Geld nicht reicht. HannaElisabeth Müller, die Sensation der Salzburger „Arabella“, kann daran leider nicht anknüpfen. Ihre Stimme klingt im Moment spitz, verhärtet, angestrengt – bei allem berührend burschikosen Ausdruck. Ihr verzweifelt Geliebter, Matteo, hat in Joseph Kaiser einen Tenor, der die unangenehm hohe Partie schlank und stark bewältigt. Die jodelnde Fiakermilli (Eir Inderhaug) kommt mit Peitsche, Strapsen und Leder, die Ball-Entourage tut derweil verrucht, man posiert treppauf, treppab und fummelt rum: zum Gähnen.
Dazu verleitet leider auch der Dirigent, Philippe Jordan, der im Klein-Klein keine Linie und keinen blühenden Klang findet. Gut und schön: Er will schärfen, keinen Zuckerguss. Aber mehr als Brösel hätte er da trotzdem bieten müssen. Oder lag es nur an einem ungünstigen Hörplatz? Ungeachtet dessen: grenzenloser Jubel für alle und alles.
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