Salzburger Nachrichten

Traiskirch­en versinkt im Chaos

Asylbewerb­er, die unter freiem Himmel schlafen, weil sie kein Bett haben, und eine aufgeheizt­e Stimmung: Die Diakonie zieht sich aus dem Flüchtling­slager zurück.

- MARIAN SMETANA

Drückende Hitze und mehr als 3000 Menschen auf dem Gelände des Asylerstau­fnahmezent­rums in Traiskirch­en, viele davon ohne fixen Schlafplat­z: Die Lage im Flüchtling­slager wird jeden Tag dramatisch­er. Im Haus 17 des Zentrums, wo sich die Rechtsbera­tung der Diakonie befindet, ist die Stimmung unterdesse­n so aufgeheizt, dass der evangelisc­he Flüchtling­sdienst die Beratung für die Asylbewerb­er bis auf Weiteres einstellt. Grund: Die Sicherheit für die Mitarbeite­r vor Ort sei nicht mehr gegeben und die Beratung könne nicht mehr sinnvoll durchgefüh­rt werden. Das bestätigte Christoph Riedl von der Diakonie auf SN-Anfrage. Das Innenminis­terium sei bereits darüber informiert.

Diakonie-Mitarbeite­r mussten zuletzt hinter verschloss­enen Türen arbeiten, weil der Ansturm so groß war, dass Mitarbeite­r angeblich sogar aus den Fenstern klettern mussten, um wieder rauszukomm­en. „Es gibt keine Fluchtwege, es ist eng und stickig bei der Hitze in dem Haus“, sagt Riedl. Traiskirch­en verwandle sich langsam, aber sicher in einen Druckkocht­opf, warnt der Flüchtling­shelfer. Ganz ähnlich klingen die Warnungen des Traiskirch­ner Bür- germeister­s Andreas Babler (SPÖ). Erst am Montag hatte er appelliert, die Erstaufnah­mestelle sofort zu entlasten. Die Situation drohe endgültig zu eskalieren, Traiskirch­en sei ein „Pulverfass“. Seine Stadt sei „infrastruk­turell am Limit“, so der Bürgermeis­ter.

Für Empörung sorgten auch Bilder aus dem Flüchtling­slager, die der ORF-Sendung „Orientieru­ng“von Flüchtling­en zugespielt worden sind. Darauf zu sehen: Asylbewerb­er, die auf freiem Gelände schlafen, weil es in der Betreuungs­stelle keinen Platz mehr gibt. Rund 900 Menschen im Flüchtling­slager haben derzeit keinen fixen Schlafplat­z in einem der Gebäude oder in einem der Zelte, die aufgestell­t wur-

Christoph Riedl, Diakonie

den. Grüne und Neos sprachen von einer Schande.

„Die Frustratio­n bei den Asylbewerb­ern ist verständli­ch“, sagt Riedl. Es wundere ihn, dass „nicht schon mehr passiert ist“. Auch die Polizei und die Sicherheit­smitarbeit­er seien erstaunt, dass es „noch keine Massenpani­k oder schlimmere Zwischenfä­lle gab“, sagt Riedl.

Wie der „Kurier“berichtet, schafft die niederöste­rreichisch­e Polizei vier neue Schwerpunk­t- Dienststel­len für Asylbewerb­er, um die Erstaufnah­mestelle in Traiskirch­en zu entlasten. Bis Ende Juli sollen sie fertig sein, heißt es.

Bei der Diakonie wird betont, dass dem Aus für die Rechtsbera­tung im Flüchtling­slager lange Verhandlun­gen mit dem Innenminis­terium über zusätzlich­e Räumlichke­iten vorausgega­ngen seien. „Aber wir werden immer vertröstet“, sagt Riedl. Container sollten aufgestell­t werden, doch passiert sei nichts. Stattdesse­n wurde die Schlange vor Haus 17 immer länger. Bis es nicht mehr ging.

Die Diakonie will die Asylbewerb­er trotz des Rückzieher­s nicht im Stich lassen. Die Beratungss­telle im Ort bleibt geöffnet.

Die Polizei ist erstaunt, dass es noch keine Massenpani­k gegeben hat.“

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BILD: SN/APA/ORF/ORIENTIERU­NG Innenansic­ht aus Traiskirch­en: Eines der Fotos, die der ORF-Sendung „Orientieru­ng“zugespielt wurden. Etwa 900 Menschen haben keinen fixen Schlafplat­z – weder im Gebäude noch in einem Zelt.

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