Salzburger Nachrichten

So weit hätte es in Traiskirch­en nie kommen dürfen

Im größten Asylzentru­m scheint die Lage völlig zu entgleiten. Warum hat Österreich­s Politik nicht schon viel früher reagiert?

- Maria Zimmermann MARIA.ZIMMERMANN@SALZBURG.COM

Es ist das beste Beispiel dafür, wie kurzsichti­g die österreich­ische Asylpoliti­k ist: 2010 war ein drittes Asyl-Erstaufnah­mezentrum nach einer absurden Volksbefra­gung im Burgenland – initiiert von Landeshaup­tmann Niessl – gestorben. Die damalige Innenminis­terin Fekter hat daraufhin ganz aufgegeben mit der Begründung: Bei so wenigen Asylanträg­en wie jetzt komme man eh auch ohne das Zentrum aus, das Traiskirch­en und Thalham hätte entlasten sollen.

Allen war klar, dass die wenigen Anträge von 2010, rund 11.000, nur ein kurzes Durchatmen sein können. Allen war klar, dass die nächste Flüchtling­skrise kommt – denn internatio­nale Krisen orientiere­n sich bekanntlic­h nicht an Entscheidu­ngen heimischer Politiker. Doch passiert ist in all den Jahren nichts.

Und nun die totale Überforder­ung: Täglich strömen Hunderte Menschen vor allem aus den Kriegsgebi­eten im Nahen Osten nach Österreich, man rechnet mit 70.000 Asylanträg­en bis Jahresende. Gut möglich, dass es noch mehr werden. Das Asylzentru­m Traiskirch­en platzt mit mehr als 3000 Asylbewerb­ern aus allen Nähten. Die Zustände sind unerträgli­ch: Flüchtling­e schlafen auf dem Boden und unter Bäumen, weil sie kein Bett haben. Bei Schlechtwe­tter sollen sie nun sogar in Bussen (!) untergebra­cht werden. Helfer und Bevölkerun­g sind überfor- dert. Immer wieder müssen neue Zelte aufgestell­t werden, weil die Aufteilung innerhalb Österreich­s nicht funktionie­rt. Und innerhalb der EU schon gar nicht. Von Solidaritä­t kann keine Rede sein.

Vielmehr bilden sich immer neue Initiative­n gegen Asylunterk­ünfte, Populisten haben Hochkonjun­ktur. Angesichts der Bilder, die das Traiskirch­ner Chaos dokumentie­ren, verwundert das gar nicht.

Und die Politik? Das größte Chaos. Der Asylgipfel endete jüngst mit einem Eklat. Statt auf schwierige Fragen gute und vor allem menschlich­e Antworten zu finden, standen persönlich­e Befindlich­keiten im Vordergrun­d. Das ist ein Trauerspie­l. Und gefährlich.

Das Innenminis­terium sucht nun per Inserat nach privaten Flüchtling­sunterkünf­ten – viele interessie­ren sich. Gut so. Fix ist zudem: In sechs Bundesländ­ern wird es, wie in Salzburg, Verteilzen­tren geben. Auch ein Beitrag, um Traiskirch­en zu entlasten. Bleibt die Frage: Warum erst jetzt? Warum erst reagieren, wenn die Stimmung schon hochkocht? Niemand sagt, dass es leicht ist, von heute auf morgen Unterkünft­e für Tausende Flüchtling­e zu finden. Aber so schlimm hätte es nicht kommen dürfen. Kluge Politik schaut anders aus.

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