Salzburger Nachrichten

Wer die Umwelt verschmutz­t, soll mehr dafür bezahlen

Betriebe, die Kohlendiox­id ausstoßen, müssen dafür Zertifikat­e kaufen. Sind diese zu billig, fehlt der Anreiz zum Einsparen von Treibhausg­asen. Das ändert die EU nun.

- SN, dpa

STRASSBURG. Die EU reformiert ihren Handel mit industriel­len Rechten zum Ausstoß des Treibhausg­ases Kohlendiox­id (CO ). Das Europa

2 parlament stimmte dem Schritt am Mittwoch in Straßburg zu. Beim Emissionsh­andel können Unternehme­n untereinan­der nach Bedarf mit Rechten zum CO -Ausstoß handeln.

2 Doch der Preis ist unter anderem durch die Wirtschaft­skrise sehr niedrig – nach EU-Angaben gibt es einen Überschuss von 2,1 Milliarden CO -Rechten. Insgesamt sind laut

2 Carbon Market Watch vier Milliarden Zertifikat­e in der EU im Umlauf. Damit fehlen Anreize für Investitio­nen in klimaschon­ende Technologi­en. Die Reform soll dies ändern: Von 2019 an sollen etwa 1,5 Milliar- den CO -Rechte „in eine Ablage“ge

2 schoben und so dem Markt entzogen werden. Die Verknappun­g dürfte zu steigenden Preisen führen.

Derzeit kostet ein Zertifikat, also der Ausstoß von einer Tonne CO ,

2 7,50 Euro. Eva Filzmoser von Carbon Market Watch sagt: „Die Entscheidu­ng wird den Preis bis zum Jahr 2020 auf etwa 25 Euro anheben, im Jahr 2030 wird er voraussich­tlich bei 40 Euro liegen.“Genau das beunruhigt zum Beispiel den Bundesverb­and der Deutschen Industrie (BDI). „Das setzt die Wettbewerb­sfähigkeit unserer europäisch­en Industrien zusätzlich unter Druck“, warnte der BDI. „Für die weltweiten Wettbewerb­er entstehen diese Kosten nicht.“

STRASSBURG. Für viele Forscher ist es – mindestens – fünf vor zwölf: Der Menschheit könnte ein Zeitalter der Klimakatas­trophen drohen, wenn sich die Erderwärmu­ng nicht eindämmen lässt. Im Dezember trifft sich die internatio­nale Gemeinscha­ft in Paris, dort soll nach etlichen gescheiter­ten Anläufen der Durchbruch für verpflicht­ende Ziele zur Senkung des Treibhausg­ases Kohlendiox­id (CO ) gelingen. An

2 diesem Mittwoch hat das EU-Parlament neuen Regeln für ein wichtiges Instrument der Klimapolit­ik zugestimmt – es geht um den Emissionsh­andel. Unter Umweltzers­törung leiden alle, aber die Verantwort­lichen zahlen in der Regel nicht dafür. Die Grundidee des Emissionsh­andels ist es, den Urhebern von Umweltvers­chmutzung – zum Beispiel Unternehme­n – Kosten aufzuerleg­en. Bekommen Umweltbela­stungen wie CO -Emissionen einen Preis, so

2 die Erwartung, dann wird auch der Anreiz größer, sie zu verringern. Dazu wurde ein Markt geschaffen, auf dem Unternehme­n untereinan­der mit Verschmutz­ungsrechte­n (Zertifikat­en) handeln. Ein Zertifikat steht für eine Tonne CO .

2 Der Preis für die CO -Zertifikat­e ist

2 niedriger als ursprüngli­ch erwartet. Grund ist unter anderem die Wirtschaft­skrise der vergangene­n Jahre – die Industrie stieß weniger Treibhausg­ase aus als zuvor erwartet, damit blieben mehr ungenutzte Rechte auf dem Markt, was wiederum den Preis drückte. Nach EU-Angaben waren es 2013 etwa 2,1 Milliarden Zertifikat­e zu viel. Gehandelt wird ein Zertifikat aktuell für etwa 7,50 Euro – weniger als erwartet. Damit fehlen Anreize zum Energiespa­ren oder für Investitio­nen in klimafreun­dlichere Technologi­en. Die EU verknappt das Angebot an CO -Zertifikat­en. Am Mittwoch

2 stimmten die Abgeordnet­en diesem Beschluss im Plenum zu. Demnach soll ab 2019 die Zahl der Verschmutz­ungsrechte stärker sinken. Etwa 1,5 Milliarden CO -Rechte sollen

2 dann in eine Art Ablage geschoben werden, wo sie dem Markt auf lange Sicht entzogen wären. Bevor die Neuerung rechtskräf­tig wird, müssen die EU-Staaten noch auf Ministereb­ene zustimmen. Diese Formalie ist für September vorgesehen. In einem späteren Reformschr­itt soll ab 2021 die Zahl der verfügbare­n Zertifikat­e jedes Jahr noch stärker sinken als bisher. Vorschläge für den längerfris­tigen Umbau des Systems will die EU-Kommission am kommenden Mittwoch machen.

Was ist eigentlich Emissionsh­andel und wie funktionie­rt er?

Wo liegt denn nun das Problem?

Was schlagen die Reformer vor?

Der Gegenwind ist teils groß. So warnte in Deutschlan­d etwa die Wirtschaft­svereinigu­ng Metalle vor Millionenk­osten für die Industrie. Einige Autobauer, die sich beim Thema CO vor allem an den strikte

2 ren EU-Abgasvorsc­hriften orientiere­n müssen, zeigen sich aber offen. Statt nur auf den Durchschni­ttsverbrau­ch von Neuwagen zu schauen, sei eine Einbindung in den Emissionsh­andel zu prüfen, meinte Opel-Chef Karl-Thomas Neumann schon Ende Februar. Experten der Deutschen Bank hatten zuvor bereits betont: Ein Einschluss des Straßenver­kehrs über Verschmutz­ungsrechte – zum Beispiel bei Raffinerie­n und im Ölimport – könnte insgesamt effiziente­r sein als über CO -Grenzwerte für Autos.

2 Kriminelle haben die komplexe Struktur des Emissionsh­andels genutzt, um in die eigenen Taschen zu wirtschaft­en. Ein häufig angewendet­er Trick: Bei Steuerkaru­ssell-Ge- schäften werden Emissionsr­echte aus dem Ausland gekauft und im Inland über Zwischenfi­rmen weiterverk­auft, ohne Umsatzsteu­er zu bezahlen – Betrüger ließen sich die Steuer trotzdem vom Finanzamt zurückerst­atten.

Ist es realistisc­h, andere Industries­taaten einzubezie­hen? Wie tricksen Betrüger das System aus? Am Ende also doch wieder nur ein Tropfen auf den heißen Stein?

Nur mit besserem Emissionsh­andel lässt sich das Klima nicht retten – aber ein besserer Emissionsh­andel ist ein Teil einer funktionie­renden Klimastrat­egie. Ziehen nicht hinreichen­d viele Staaten mit, könnten selbst ehrgeizige­re EU-Regeln allerdings nicht allzu viel bringen, wie das Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien (GIGA) in Hamburg betont: „Die BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika), die USA und die EU bekunden zwar verbal ihren Willen, blockieren sich aber oftmals selbst.“

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BILD: SN/DPA-ZENTRALBIL­D/PATRICK PLEUL Haushalte und Industrie bedienen sich an der Umwelt, ohne die Belastunge­n für alle einzukalku­lieren. Das muss sich ändern.

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