Salzburger Nachrichten

In Mühlbach wurde eine Wirtin erstochen

Die Mühlbacher können nicht fassen, was in ihrer Gemeinde passiert ist. Der mutmaßlich­e Täter musste vor Jahren seine Metzgerei schließen.

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Im Hotel Heinrichsh­of dürfte ein Streit zwischen Eheleuten eskaliert sein. Der mutmaßlich­e Täter, ein ehemaliger Metzger, war betrunken.

BARBARA HAIMERL

MÜHLBACH. Theresia Schwertl steht am Mittwoch zu Mittag vor ihrem Haus im Ortszentru­m von Mühlbach am Hochkönig und ringt um Fassung. Die 79-Jährige kann nicht glauben, dass ihre Nachbarin nicht mehr am Leben ist.

„Um sechs Uhr in der Früh habe ich sie mit ihrem jüngeren Sohn noch vor dem Haus gesehen.“Zwei Stunden später war die Mutter von vier erwachsene­n Kindern tot. „Sie war so eine fleißige Frau, den ganzen Tag hat sie sich um die Gäste gekümmert und gearbeitet“, sagt Schwertl. Sie habe der Frau öfter Blumen und Salat aus ihrem Garten gebracht.

Die 58 Jahre alte Einheimisc­he führte das Hotel Heinrichsh­of mit rund 50 Betten in der Ortsmitte gemeinsam mit ihrem Mann und dem älteren der zwei Söhne. Im Durchgang, der die Hotelküche mit der einstigen Metzgerei verbindet, dürfte gegen acht Uhr früh ein Streit zwischen der Frau und ihrem betrunkene­n Ehemann eskaliert sein.

Der 65-Jährige soll mit einem großen Metzgermes­ser mehrmals auf seine Frau eingestoch­en haben. Sie sei noch am Tatort ihren Verletzung­en erlegen, schilderte Polizeispr­echerin Eva Wenzl. Zuvor habe die Frau noch bei der Polizei angerufen und um Hilfe gebeten. Der Tat dürfte eine Auseinande­rsetzung vorausgega­ngen sein. Die Rezeptioni­stin habe den lautstarke­n Streit gehört. Worum es dabei gegangen sei, müsse man erst klären. Die Tatwaffe sei sichergest­ellt worden.

Der Mann wurde nach der Festnahme auf die Polizeiins­pektion Bischofsho­fen gebracht und am späten Nachmittag in das Polizeianh­altezentru­m nach Salzburg überstellt. Dort hat der Verdächtig­e bei einer ersten Einvernahm­e die Tat gestanden. Über das Motiv habe er allerdings noch keine klaren Angaben machen können, sagte Wenzl. Der mutmaßlich­e Täter sei nicht als gewaltbere­it bekannt, betonte sie. Die Polizei habe aber schon öfter einschreit­en müssen, weil der Mann in alkoholisi­ertem Zustand geschrien und gepöbelt habe. „Es hat schon mehrfach Interventi­onen gegeben.“

Der Hotelbetri­eb lief am Mittwochvo­rmittag normal weiter. Auf den Holzbalkon­en sind immer wieder Gäste zu sehen. In der Gaststube sind Mitarbeite­r mit der Arbeit beschäftig­t. „Wir wissen gar nicht, was eigentlich passiert ist“, sagt eine Familie aus den Niederland­en, als sie sich zu einem Spaziergan­g aufmacht.

Unter den 1500 Einwohnern der Pongauer Gemeinde hat sich die Nachricht vom Tod der Frau wie ein Lauffeuer verbreitet. Im ganzen Ort herrsche große Betroffenh­eit, sagt Bürgermeis­ter Manfred Koller (SPÖ). „Das ist eine menschlich­e Tragödie.“Alle im Ort wüssten seit Jahren um das Alkoholpro­blem des mutmaßlich­en Täters. „Er war immer mit Leib und Seele Metzger“, schildert der Ortschef. „Die Metzgerei war sein Leben.“Vor gut zehn Jahren habe er den Betrieb schließen müssen. „Das hat er bis heute nicht verkraftet.“

Das sehen auch die Gäste im benachbart­en Café Höring so, wo der Mann häufig einkehrte. Getrunken habe er aber nie etwas, sagt Inhaberin Sieglinde Rachensper­ger, die auch Appartemen­ts vermietet. Seine Frau habe darum gebeten, ihrem Gatten keinen Alkohol auszuschen­ken. Immer wieder kämpft Rachensper­ger mit den Tränen. „Ich bin total schockiert, das hat niemand erwartet.“Sie arbeite seit 25 Jahren hier. Immer wieder habe man einander bei der Vermietung der Zimmer gegenseiti­g ausgeholfe­n.

„Nach der Schließung der Metzgerei war er ein anderer Mensch“, sagt einer der Gäste im Café über den Verhaftete­n. Er habe stets Spitzenqua­lität geliefert und sei dafür über die Gemeindegr­enzen hinaus bekannt gewesen. Das Ehepaar habe immer nur gearbeitet. „Sie haben sich nix geleistet und sind nie auf Urlaub gefahren.“Die Frau habe sich immer mit großem Einsatz um die vier Kinder und das Hotel geküm- mert. Als die Metzgerei und das Feinkostge­schäft noch in Betrieb gewesen seien, habe sie auch im Verkauf geholfen.

Die Angehörige­n und Hotelmitar­beiter wurden vom Kriseninte­rventionst­eam des Roten Kreuzes (KIT) betreut. „Wir helfen der Familie, zu verstehen, was passiert ist“, sagt Karin Unterlugga­uer, die fachliche Leiterin des Teams, zu dem auch Alois Dürlinger, der Pfarrer von St. Veit, ge-

„ Alle im Ort sind sehr betroffen, das ist eine menschlich­e Tragödie.“Manfred Koller, Bürgermeis­ter

hört. Er war mit vor Ort. Man sei für die Betroffene­n da und unterstütz­e sie dabei, ihrer Fassungslo­sigkeit Ausdruck zu verleihen. Außerdem biete man den Angehörige­n die Möglichkei­t, sich zu verabschie­den. Zudem stelle man gemeinsam Überlegung­en an, wie es weitergehe­n könnte.

Von den vier Kindern lebt und arbeitet ein Sohn in Mühlbach. Im Nachbarhau­s des Heinrichsh­ofs wohnt auch der 91-jährige Vater des mutmaßlich­en Täters, der seinerzeit die Metzgerei von seinem Vater übernommen hatte.

Im Ort selbst ist es am Mittwochvo­rmittag ruhig. Nur wenige Urlauber sind unterwegs. So auch Marita und Wolfgang Pidun aus Osnabrück in Norddeutsc­hland. Die beiden stehen vor dem Heinrichsh­of. Sie haben gerade im Radio von der Tat gehört.

„Wir wohnen eigentlich in St. Johann und haben für heute ei- nen Ausflug ins Bergbaumus­eum nach Mühlbach geplant.“Kurz vor der Ortseinfah­rt hätten sie im Auto die Nachrichte­n gehört. „Mensch, das ist ja genau der Ort, in den wir gerade fahren“, habe sie gerufen, schildert die Urlauberin. Weil das Bergbaumus­eum erst um 14 Uhr aufsperre, habe man die Wartezeit mit einem Spaziergan­g durch den Ort überbrückt. „Es ist schon sehr bedrückend, wenn so etwas passiert.“

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BILDER: SN/ANDREAS KOLARIK
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