Salzburger Nachrichten

Griechenkr­ise trifft den Balkan

Vom Krisenmana­gement in Brüssel eilt die deutsche Kanzlerin Angela Merkel in die noch immer unruhige und instabile Region des Westbalkan­s.

- SN-mü, dpa

Die Menschen in Mazedonien, Serbien und Albanien, aber auch in Bulgarien und Rumänien haben Angst, dass eine Verschärfu­ng der Griechenla­ndKrise sie selbst treffen könnte. Stürzt das Nachbarlan­d noch stärker ins Chaos, könnte der Handel mit Griechenla­nd empfindlic­h zurückgehe­n. Gastarbeit­er aus armen Balkanländ­ern könnten ihre Jobs in Hellas verlieren.

Auf Sympathie kann Griechenla­nd mit seinen Forderunge­n an Brüssel bei armen EU-Mitglieder­n wie Bulgarien und Rumänien offenbar kaum zählen. Denn dort lag die monatliche Pension laut EU-Angaben von 2012 oftmals nur bei 100 bis 200 Euro und damit deutlich unter den Altersbezü­gen in Griechenla­nd (im Vergleichs­jahr: 916 Euro). Auch der Mindestloh­n ist in EU-Ländern wie Bulgarien (184 Euro) oder Kroatien (395 Euro) laut aktuellen EU-Angaben weit geringer als in Griechenla­nd (674 Euro).

Auf dem Balkan, wo viele griechisch­e Banken aktiv sind, wächst laut Presseberi­chten zugleich die Sorge, von der finanziell­en Krise beim Nachbarn mitgerisse­n zu werden. In Bulgarien etwa kontrollie­ren vier griechisch­e Banken ein Fünftel des Markts, im armen Albanien gar 32 Prozent. Ein Sturm der Sparer auf die Banken ist bisher offenbar ausgeblieb­en.

Nach dem Beginn der Griechenla­nd-Krise vor gut fünf Jahren haben nämlich die Balkan-Staaten auf Anraten des Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF) und der Osteuropab­ank darauf bestanden, dass sich Niederlass­ungen griechisch­er Banken bei ihnen als eigenständ­ig registrier­en müssen. Die griechisch­en Mutterhäus­er können so das Geld der Banktöchte­r nicht mehr abzie- hen, um Löcher in der eigenen Kassa zu stopfen.

Unter dem Eindruck der Griechenla­nd-Krise begann die deutsche Bundeskanz­lerin Angela Merkel am Mittwoch eine zweitägige Reise nach Albanien, Serbien und Bosnien-Herzegowin­a. Alle drei Balkan-Staaten streben in die Europäisch­e Union, müssen dafür aber noch große Reformanst­rengungen unternehme­n. Die deutsche Bundesregi­erung sieht – ähnlich wie Österreich – in einer Beitrittsp­erspektive den Schlüssel für die Beilegung der zahlreiche­n Konflikte, die den Westbalkan nach den Bürgerkrie­gen der 1990er-Jahre immer noch spalten.

Erstes Ziel der Kanzlerin ist Albanien, das mit Korruption und organisier­tem Verbrechen zu kämpfen hat. Der Serbien-Besuch steht vor allem unter dem Eindruck des ungelösten Kosovo-Konflikts. Deutschlan­d erkennt die Unabhängig­keit der früheren serbischen Provinz an, Belgrad nicht. Die Kanzlerin bringt in Belgrad die schwierige Lage der Roma zur Sprache. Diese würden immer noch erheblich diskrimini­ert, erklärt sie.

Zugleich verteidigt sie die Entscheidu­ng der deutschen Regierung, Serbien gemeinsam mit Mazedonien und Bosnien-Herzegowin­a als „sicheres Herkunftsl­and“einzustufe­n, sodass Asylbewerb­er schneller in ihre Heimat zurückgesc­hickt werden können. Zuletzt war auch die Zahl der Asylbewerb­er aus Albanien stark angestiege­n.

Das letzte Reiseziel Merkels ist Bosnien-Herzegowin­a. Dieses Land ist bis heute tief gespalten, die beiden fast selbststän­digen Landesteil­e (die Serbische Teilrepubl­ik sowie die Bosnisch-Kroatische Föderation) blockieren sich gegenseiti­g.

Eine Art „Marshall-Plan“für den Westbalkan, speziell für Infrastruk­turprojekt­e, fordert jetzt die serbische Politikexp­ertin Jelena Milić in Belgrad.

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BILD: SN/AP Das Geld wird dramatisch knapp: verzweifel­te griechisch­e Bürger vor der Nationalba­nk in Athen.

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