„Wir jammern nicht so viel“
Im Baltikum gibt es wenig Verständnis für die Lage Griechenlands: Die Menschen hier haben harte Wirtschaftsreformen hinter sich gebracht – und fordern, dass sich die Griechen ebenso an die Regeln halten.
„Es wäre ein düsteres Szenario, wenn Athen aus der Eurozone austräte.“
„Griechenlands letzte Chance: zurück zur Drachme“– so kommentiert Lettlands Finanzminister Jānis Reirs das griechische Nein zu den europäischen Sparplänen. Die Gelddruckmaschinen seien sicher billiger als das Referendum am vorigen Sonntag. Und wenn sie die Maschinen nicht selbst anschaffen könnten, sollten die Griechen ein Nachbarland um Unterstützung beim Drachme-Drucken bitten. „Es kann niemals von einem Schuldenschnitt die Rede sein, solange Griechenland den Kreditgebern weder ernsthafte Strukturreformen noch Haushaltsdisziplin anbietet“, betonte der Finanzminister.
Harte Wirtschafts- und Sozialreformen sind Reirs nicht fremd. Als Lettland im Jahr 2008 von der weltweiten Finanzkrise aus der Bahn geworfen wurde, war er Vorsitzender der Haushaltskommission im lettischen Parlament. Kurz vor dem Staatsbankrott erhielt Lettland einen Kredit vom Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Union in Höhe von 7,5 Milliarden Euro.
Dafür musste das Parlament unter Federführung von Reirs einen drastischen Sparkurs nachweisen. Ähnlich wie in Griechenland wurden Angestellte aus dem öffentlichen Dienst entlassen, Schulen und Krankenhäuser geschlossen und die Gehälter um 20 bis 30 Pro- zent gekürzt. Aber während Griechenland einen Schuldenschnitt verlangt, hat Lettland seinen Kredit längst abbezahlt. Entsprechend klar ist nun die Haltung vieler Letten. „Wir jammern eben nicht so viel wie unsere EU-Partner im Süden“, sagt eine Passantin in Riga. „Wir mussten alles auf Euro und Cent zurückzahlen, dasselbe erwarten wir von Griechenland.“
Jeder EU-Mitgliedsstaat müsse seinen Verpflichtungen nachkommen, sagt auch die lettische Regierungschefin Laimdota Straujuma. „Brüssel darf für Griechenland keine Ausnahmeregelung schaffen, das ginge nur auf Kosten der anderen Mitgliedsstaaten.“Mit Blick auf das Referendum bezweifelt sie al- lerdings, dass den Griechen die Konsequenz ihres Nein tatsächlich bewusst gewesen sei. Zwar sagt Straujuma, dass Brüssel ab sofort noch strenger über die Haushalte der Euroländer wachen müsse. Aber sie verlangt auch Soforthilfe für griechische Krankenhäuser und soziale Brennpunkte.
Ilmārs Rimšēvičs, Chef der Lettischen Notenbank, sieht nur im langsamen Ausstieg Griechenlands aus der Eurozone eine Lösung für die griechische Schuldenkrise. „Das griechische Volk ist sehr mutig gewesen, sich selbst durch das Referendum aus der Eurozone zu wählen“, sagt er. Der Grexit werde auf lange Sicht die Eurozone nur stärken, ist er sich sicher.
Die Regierungen der baltischen Nachbarländer geben sich in dieser Hinsicht etwas moderater. Der estnische Finanzminister Sven Sester beispielsweise betont, dass die Finanzminister der Eurozone nach wie vor bereit seien, Griechenland zu helfen, sobald die Regierung einen neuen Reformplan vorlege. Doch leider fehle das Vertrauen in die griechische Regierung. „Griechenland hat viel Zeit verspielt – und es gibt nur noch ganz wenige Möglichkeiten zu helfen.“