Erinnerungsbilder mit schwarzen Flecken
Als Fotomotiv ist das EU-Parlament beliebt. Aber darf man Monumente künftig noch ungefragt knipsen? Darüber wird in Straßburg abgestimmt.
Die Fotomontagen, mit denen die Betreiber des Internetlexikons Wikipedia in den vergangenen Wochen auf das drohende Szenario aufmerksam machten, haben etwas Unwirkliches. Dort, wo eigentlich das EUParlament in Straßburg erkennbar sein müsste, prangt nur ein großer, schwarzer Fleck. Auf einem anderen Beispielbild ist die Wiener UNO-City geschwärzt. Und auch für die bunte Skulptur „Dona i Ocell“von Joan Miró, die in Barcelona von Abertausenden Besuchern geknipst wird, sahen die WikipediaBetreiber in ihrer Kampagne schwarz. Der Grund für den Aufschrei war eine Debatte über die Harmonisierung der Urheberrechte in der EU. In Österreich ist das Recht, Bilder von Kunstwerken und Gebäuden im öffentlichen Raum zu machen und auch zu veröffentlichen, durch die Panoramafreiheit abgesichert. In Ländern wie Frank- reich gibt es diese Freiheit nicht. Wer Kunst oder Bauwerke fotografiert, deren urheberrechtliche Schutzfrist noch nicht abgelaufen ist, müsste erst einmal um Erlaubnis bei Künstlern, Architekten oder deren Erben bitten. Auch, wenn das Objekt nur im Hintergrund zu sehen ist. Zwar betrifft diese Pflicht nur sogenannte kommerzielle Nutzungen. Doch die kann im Internetalltag ungeahnt schnell vorliegen. Schon das Hochladen von Bildern auf Facebook kann darunter fallen. Denn die Internetplattform behält sich die kommerzielle Weiternutzung von Bildern ihrer Mitglieder vor. Das Internetlexikon Wikipedia wäre von einem neuen EU-Urheberrecht ebenfalls stark betroffen. Unzählige Bilder müssten aus Wikipedia-Artikeln gelöscht werden, sagt Claudia Garad, die Geschäftsführerin des österreichischen Wikimedia-Vereins. Zahlreiche Nutzer des Internetlexikons haben in den vergangenen Wochen die Wikipedia-Petition gegen den Verlust der Panoramafreiheit unterzeichnet. Heute, Donnerstag, stimmt das EUParlament in Straßburg über den Vorschlag ab. Als wahrscheinlich gilt inzwischen, dass die Panoramafreiheit bleibt. Sozialdemokraten, Grüne und Europäische Volkspartei haben sich im Vorfeld gegen eine Änderung ausgesprochen. Gemeinsam haben sie die Mehrheit im EUParlament. Ein anderes Ergebnis der Abstimmung wäre die Weichenstellung für einen Gesetzesentwurf der EU-Kommission im Herbst.
Restlos erleichtert ist Claudia Garad von Wikimedia Österreich über den voraussichtlichen Ausgang der Abstimmung, der lange Debatten vorausgingen, noch nicht. „Die Panoramafreiheit ist nur ein Punkt von vielen.“Für das Projekt Wikisource etwa digitalisiert und veröffentlicht die Netzinitiative Schriften, Bücher und historische Quellen. „In vielen Details eines europäischen Urheberrechts gibt es noch Bedarf für Harmonisierungen.“