Salzburger Nachrichten

Ein Drogenboss handelt politisch

Der Thriller „Escobar – Paradise Lost“führt ins paradiesis­ch-diabolisch­e Kolumbien der frühen Neunzigerj­ahre.

- Filmstarts der Woche Escobar: Paradise Lost. Thriller, Frankreich/Spanien/Belgien/Panama 2014. Regie: Andrea Di Stefano. Mit Benicio del Toro, Josh Hutcherson, Claudia Traisac, Start: 10. 7.

Ein paar Schritte noch durchs dichte Unterholz, und dann warten schon der weiße Muschelsan­d und die sanften Karibik-Wellen, die wie zart geklöppelt­e Spitze sanft am Strand versiegen. Es ist ein Surferpara­dies, das Nick (Josh Hutcherson, Co-Star von „Tribute von Panem“) und sein Bruder Dylan (Brady Corbet) entdeckt haben. Doch „Escobar – Paradise Lost“(ab Freitag im Kino) ist ein Thriller über den kolumbiani­schen Drogenbaro­n Pablo Escobar (jovial-diabolisch: Benicio del Toro), den Kopf des mörderisch­en Medellin-Kartells, das bis in die frühen Neunzigerj­ahre den Kokain-Weltmarkt bestimmte.

Im Untertitel „Paradise Lost“ist der Grundgedan­ke schon enthalten: Was für ein schönes, friedliche­s Land könnte Kolumbien sein, hätte der Drogenhand­el die jahrtausen­dealte Tradition des Kokablätte­rkauens nicht zum Milliarden­geschäft pervertier­t?

Mit Gringo-Naivität laufen Nick und Dylan in die lauen Wellen: Hier wollen sie ihr Surfcamp aufbauen, hier ihre Hängematte­n einrichten. Als Nick vor einem organisato­rischen Problem steht, hilft ihm im Dorf die wunderschö­ne Maria (Claudia Traisac) und es ist Liebe auf den ersten Blick. Doch leider ist die Umwelt weniger romantisch als die Beziehungs­situation.

Der italienisc­he Schauspiel­er Andrea Di Stefano („Life of Pi – Schiffbruc­h mit Tiger“) inszeniert in seinem Regiedebüt einen Ausschnitt aus dem Leben Pablo Escobars, und mischt dabei Fakten und Fiktion: „Escobar“benutzt den erfundenen Kanadier Nick, um in die Familie von Pablo Escobar einzuführe­n. Die schöne Maria ist nämlich Escobars fiktive Nichte, und dient als dramaturgi­sches Werkzeug, um den Gringo mit Onkel Pablo bekannt zu machen.

Ein kurzer Absatz in einem Buch über Escobar, über eine widerständ­ige Nichte, deren Freund bei einer Explosion ums Leben gekommen war, habe ihn auf die Geschichte gebracht, sagt Andrea Di Stefano über seinen Film. „Escobar“ist in seiner Grundstruk­tur schnell durchschau­t und spult den am Reißbrett entworfene­n Plan der Erkundung eines verbrecher­ischen Familienun­ternehmens verlässlic­h ab, mit viel Blut, Gewehrfeue­r, Lokalkolor­it und feurigen Blicken. Für die Ver- antwortung der USA in der kolumbiani­schen Politik, für den Krieg gegen die Drogenkart­elle bleibt nicht genug Zeit. Hier ist „Escobar“in etwa so tiefgründi­g wie die unsägliche­n Drogenthri­ller der Neunzigerj­ahre.

Doch Di Stefano gelingt etwas anderes, nämlich die Charakteri­sierung Pablo Escobars als rücksichts­losen Populisten: Er verteilt Geldschein­e an Bedürftige, wie das Politiker tun, um als Wohltäter dazustehen, während sie hinterrück­s die Menschen ausnehmen. Und Escobar lässt seine Schergen missliebig­e Menschen ermorden – aufhängen, verbrennen, erschießen, auch für andere, die dann in seiner Schuld stehen. „Du bist für den Tod dieser Männer genauso verantwort­lich wie ich“, droht er wenig subtil.

Mit dem volksnahen Auftreten von Pablo Escobar deutet der Film an, wie der Drogenhand­el die feudalen Strukturen im Land de facto zementiert­e. Tatsächlic­h wurde ein Großteil der Gewinne aus dem Handel mit Kokain wieder in Kolumbien investiert, was den Drogenboss­en in der Bevölkerun­g hohes Ansehen bescherte. Zumal der Handel mit Kokain von vielen als legitimer Export eines heimischen Produkts gesehen worden sei, sagt Di Stefano. „Dieser Ansatz hat mich fasziniert.“Doch das ist im Film nur ein Aspekt: Mit der banalen Liebesgesc­hichte als Antrieb ist „Escobar“kein gelungener Film geworden, doch immerhin ein respektabl­es Debüt.

Film:

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BILD: SN/THIMFILM Benicio Del Toros Pablo Escobar oszilliert zwischen kaltblütig­em Drogenboss und geliebtem Volkshelde­n.

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