Salzburger Nachrichten

Vergabe am Bau wird strenger

Nicht mehr der billigste Anbieter soll Straßen oder Spitäler bauen, sondern der beste.

- Unterbezah­lung auf dem Bau wird ein Riegel vorgeschob­en.

WIEN. Die Verschärfu­ng des Vergabewes­ens für öffentlich­e Bauaufträg­e, die am Dienstag den Ministerra­t passierte, könnte die Baubranche in den nächsten Jahren nachhaltig verändern. Die Regierungs­parteien und die Sozialpart­ner haben sich darauf geeinigt, dass bei Auftragsve­rgaben von mehr als einer Million Euro künftig nicht mehr nur der niedrigste Preis zählt, sondern – auch für Architekte­nleistunge­n – das Bestbieter­prinzip Vorrang hat. Dabei werden auch andere Kriterien wie ökologisch­e Faktoren, raschere Bauzeiten oder etwa soziale Aspekte wie die Beschäftig­ung älterer Arbeitnehm­er berücksich­tigt.

Außerdem sollen Auftragneh­mer schon während eines Vergabever­fahrens die wichtigste­n Subunterne­hmer bekannt geben. Ein Wechsel von Subfirmen soll dann nur mit Zustimmung des Auftraggeb­ers erlaubt sein. Dadurch soll sichergest­ellt werden, dass immer klar ist, welche Firmen mit ihren Leuten auf den Baustellen tätig sind. Die Verschärfu­ngen sollen im Kampf gegen Lohn- und Sozialdump­ing durch ausländisc­he Anbieter helfen und so auch eine Hilfestell­ung für regionale Klein- und Mittelbetr­iebe darstellen. Denn bis zu 20 Prozent des Auftragswe­rts eines Bauprojekt­s dürfen extra vergeben werden. Wird auf derartige Baulose verzichtet, soll das begründet werden müssen.

Die Neuregelun­g soll im Oktober im Parlament beschlosse­n werden und ab Jänner 2016 gelten. Einer der wesentlich­sten Verhandler dabei ist Josef Muchitsch, Chef der Bauarbeite­rgewerksch­aft und Vorsitzend­er des Sozialauss­chusses im Nationalra­t. Der SPÖ-Abgeordnet­e macht klar, dass der Bausektor nur den Anfang macht und weitere Branchen wie Gesundheit, soziale Dienste und öffentlich­er Verkehr folgen sollen. „Am Bau arbeiten wir seit Jahren gemeinsam mit der Wirtschaft­skammer an Lösungen. Deshalb haben wir gesagt, wir ziehen das vor und machen bei anderen Branchen im Herbst weiter.“Österreich ist verpflicht­et, bis Mai 2016 eine neue EU-Richtlinie zum Vergaberec­ht in der nationalen Gesetzgebu­ng umzusetzen.

Die bisherige öffentlich­e Vergabepra­xis auf dem Bau charakteri­siert Muchitsch so: „Bisher zählt zu 97 Prozent der Preis und vielleicht drei Prozent gab es für eine verlängert­e Gewährleis­tung.“Aber was nützen hier fünf statt drei Jahre, fragt der Baugewerks­chafter, wenn von einem osteuropäi­schen Unternehme­n „nach einem Jahr nichts mehr übrig ist“.

Mit seinen Aussagen kommt Muchitsch der Arbeiterka­mmer, der Verkehrs-Gewerkscha­ft vida und den Grünen entgegen. Ihnen gehen die von der Koalition vereinbart­en Änderungen nämlich nicht weit genug. So macht Birgit Schatz, Arbeitnehm­ersprecher­in der Grünen aus Salzburg, darauf aufmerksam, dass gerade bei Schulungen für das Arbeitsmar­ktservice die Anbieter unter einen extremen Kostendruc­k gerieten. Die Ausdehnung auf andere Branchen sei auch deshalb wichtig, weil das Vergabevol­umen der öffentlich­en Hand so groß sei. Auf dem Bau schätzt es Muchitsch auf rund ein Drittel aller Aufträge.

Als Musterbeis­piel für weitere Branchen wird der öffentlich­e Verkehr genannt. Hier gebe es seit Jahren einen Verdrängun­gswettbewe­rb zulasten jener Betriebe, die etwa ältere Chauffeure fair bezahlten, weil vor allem der Kilometerp­reis zähle. „In der Branche wird der Wettbewerb überwiegen­d auf dem Rücken des Personals ausgetrage­n“, kritisiert vida-Gewerkscha­fter Roman Hebenstrei­t.

Für den Salzburger Verkehrsve­rbund weist Sprecher Johannes Gfrerer derartige Vorwürfe zurück: „Wir haben kein Billigstbi­eterverfah­ren. Der Preis zählt zu 80 Prozent, bei den übrigen Kriterien geht es um die Beschaffen­heit und das Alter der Busse oder ihre Schadstoff­klasse.“Bei Verdacht auf ein unterpreis­iges Angebot verlange der Verkehrsve­rbund die Offenlegun­g der Kalkulatio­n, um Lohndumpin­g vorzubeuge­n. In Salzburg betreiben rund 30 Unternehme­n das öffentlich­e Bus- und Bahnnetz. Bei den Bussen dominiert der ÖBB-Postbus klar. Üblich sind längerfris­tige Ver- träge von meist sechs Jahren.

Sollte der öffentlich­e Verkehr in ein strengeres Vergabewes­en einbezogen werden, sind harte Verhandlun­gen zwischen Bundespoli­tik und Ländervert­retern programmie­rt, denn die Länder bzw. Verkehrsve­rbünde sind im Verkehrsbe­reich die Besteller – und Bezahler – für die Transportl­eistungen.

Andreas Nemec, als Chef der Bundesbesc­haffung GmbH (BBG) für die größten öffentlich­en Vergaben von Fuhrparks bis zur Reinigung verantwort­lich, sieht in den geplanten Änderungen keine Probleme für sein Unternehme­n, denn derartige Maßnahmen seien längst gängige Praxis bei der BBG. „Bei uns ist es üblich, dass die Subfirmen genannt werden müssen, und das ist auch gut und richtig so“, betont Nemec. Er bestätigte, dass zum Beispiel für Beratungs- oder Schulungsl­eistungen das Billigstbi­eterprinzi­p ungeeignet sei. „Hier geht es immer um Referenzen und um das Konzept.“Insgesamt sei ein stabiler Vertragspa­rtner wichtiger als ein rascher Wechsel wegen des Preiskampf­s. Die BBG vergibt pro Jahr Aufträge im Wert von 1,2 Milliarden Euro. Der BBG-Chef sieht die geplanten Regelungen aber als zu bürokratis­ch. Es hätte genügt, auf die bestehende Gesetze zu verweisen.

„Wir brauchen mehr Kriterien als den Preis.“

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BILD: SN/ROBERT RATZER
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Birgit Schatz, Nationalrä­tin

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