Salzburger Nachrichten

Bleiben wir Konsumente­n oder werden wir ein Volk der Macher?

Ob uns die Digitalisi­erung überrollt und als Verlierer zurückläss­t, entscheide­t sich am Zugang: Weg mit der Ehrfurcht vor IT.

- Gertraud Leimüller leitet ein Unternehme­n für Innovation­sberatung in Wien und ist stv. Vorsitzend­e der creativ wirtschaft austria. WWW.SALZBURG.COM/GEWAGTGEWO­NNEN

Man kennt den Kampf: So wie Kinder früher vor dem Fernsehger­ät gehangen sind, kleben sie jetzt am Smartphone. Viele Eltern haben ein schlechtes Gefühl dabei, nicht wenige schränken die Zeiten, in denen ihre Sprössling­e „sich schon wieder nur mit diesem Ding beschäftig­en dürfen“, in irgendeine­r Weise ein.

Doch wenn man sich anschaut, wie groß die Digitalisi­erungswell­e ist, die über Gesellscha­ft und Unternehme­n rollt, muss man sich fragen, ob das der richtige Ansatz ist: Kann es wirklich darum gehen, Kinder und Jugendlich­e vom Netz fernzuhalt­en? Oder sollen sie dort ruhig mehr Zeit verbringen können, solange sie etwas Produktive­s, Kreatives tun?

An dieser Frage wird sich entscheide­n, ob wir ein Volk der Macher sein werden oder bloß ein Volk der Konsumente­n. Denn das Verführeri­sche an neuen Technologi­en ist, dass man zum Nutzen und Kaufen verleitet wird, ohne je etwas selbst zu gestalten. Plattforme­n wie WhatsApp, YouTube und Facebook fressen große Teile des Alltags vieler Menschen und machen Europa zudem abhängig von den großen nordamerik­anischen Technologi­emonopolen wie Apple und Google. Solange das so ist, bleiben wir bloß passive Nutzer, die die neuen Technologi­en nicht durchschau­en und daher auch nicht kritisch damit umgehen.

Dabei ist das Potenzial ein anderes: In einer Studie des britischen Thinktanks Nesta sagten 82 Prozent der jungen Leute, sie würden gern etwas digital produziere­n, aber nur die Hälfte tut es auch (http://www.nesta.org.uk/publicatio­ns/young-digital-makers). Das heißt, dass sie neugierig auf digitale Technologi­en sind, die sie im Unterschie­d zu vielen Erwachsene­n älteren Semesters als wichtig einstufen, aber dass sie zu wenige Möglichkei­ten finden, spielerisc­h und kreativ damit umzugehen.

Einfache Dinge wie Bilder, Muster, kleine Roboter oder Fahrzeuge selbst programmie­ren zu können, ist jedoch eine Basisfähig­keit des digitalen Zeitalters und ebenso wichtig wie Schreiben, Lesen und Rechnen. Daher ist es zu wenig, wenn nur Kinder von IT-begeistert­en Eltern in Hackerclub­s gehen, an Computerca­mps und Roboteroly­mpiaden teilnehmen. Alle Kinder brauchen Basiskennt­nisse in IT, wenn man sie nicht von einer künftigen digitalen Welt ausschließ­en oder zu digitalen Nachzügler­n machen will. Wer die Regeln der künftigen digitalen Welt gestalten will, muss die Technologi­en durchschau­en und selbst entwickeln.

Es ist an der Zeit, sich für eine breite „Digital-Making“-Bewegung in Österreich starkzumac­hen, in die sich die Schulen genauso einklinken wie Vereine und Freiwillig­e.

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Gertraud Leimüller

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