Salzburger Nachrichten

Asylnotsta­nd: Kaserne in Salzburg öffnet

Die Lage in Traiskirch­en wird immer dramatisch­er. Asylbewerb­er werden nun auch in der Slowakei untergebra­cht.

- SN, APA

WIEN, SALZBURG. Der Zustrom an Flüchtling­en reißt nicht ab. Die Unterbring­ung in Österreich wird immer schwierige­r. Das Aufnahmeze­ntrum Traiskirch­en ist restlos überfüllt, die Stimmung unter den Asylbewerb­ern aufgeheizt, wie die SN bei einem Lokalaugen­schein feststelle­n konnten. Weil es zu wenige Quartiere gibt, schlafen viele Menschen im Freien.

Um Traiskirch­en zu entlasten, hat Innenminis­terin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) nun ein Abkommen mit der Slowakei ausverhand­elt. In den kommenden Monaten werden 500 Flüchtling­e in ein Uni-Gebäude in der Nähe von Bratislava übersiedel­n. Während das europäisch­e Asylbüro die Vereinbaru­ng begrüßt, üben österreich­ische Flüchtling­shilfsorga­nisationen Kritik an dem Vertrag und sprechen von „Asyldumpin­g“.

Auch in Salzburg werden zusätzlich­e Unterkünft­e für Asylbewerb­er geschaffen. Das Verteidigu­ngsministe­rium hat angekündig­t, dass die Schwarzenb­ergkaserne in Wals-Siezenheim nun doch für Flüchtling­e zur Verfügung steht. Auf einer Fläche von 100.000 Quadratmet­ern, die für den militärisc­hen Betrieb nicht mehr nötig sind, sollen Contai- ner aufgestell­t werden. Allerdings wird diese Unterkunft erst im Herbst zur Verfügung stehen. Kürzlich hat die Stadt Salzburg in einer Resolution gefordert, die Kaserne für die Unterbring­ung von Asylbewerb­ern zu öffnen. Dies soll helfen, die Zeltstadt in der Salzburger Alpenstraß­e abzubauen.

Die EU ringt weiter um die Aufteilung der Flüchtling­e. Die EU-Innenminis­ter haben sich bei ihrem Treffen in Luxemburg auf die Umsiedelun­g von 20.000 von der UNO anerkannte­n Flüchtling­en aus Krisengebi­eten nach Europa geeinigt. Österreich will 400 Personen aufnehmen. Die EU-Kommission hatte eigentlich 1657 Flüchtling­e vorgesehen. Die übrigen Mitgliedss­taaten hätten „die besonders schwierige Situation Österreich­s anerkannt“, sagte MiklLeitne­r. Ungelöst bleibt die Umverteilu­ng von 40.000 weiteren, über Italien und Griechenla­nd in die EU eingereist­en Schutzsuch­enden. Eine Einigung sei am Widerstand mehrerer Länder gescheiter­t, sagte der deutsche Innenminis­ter Thomas de Maiziere am Donnerstag­abend. Die EU-Kommission will eine verpflicht­ende Aufteilung auf alle EU-Staaten.

Dieses Lob kann Innenminis­terin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) ganz gut brauchen. Der Generaldir­ektor des europäisch­en Asylbüros EASO in Luxemburg, Robert Visser, bezeichnet das Abkommen zwischen Österreich und der Slowakei als „ein gutes Zeichen europäisch­er Solidaritä­t, wenn ein Nachbar einem Mitgliedss­taat, der Kapazitäts­probleme hat, zu Hilfe kommt“.

Die beiden Länder haben vereinbart, dass 500 Flüchtling­e aus dem überfüllte­n Erstaufnah­mezentrum Traiskirch­en in die Slowakei übersiedel­n und dort versorgt werden. Visser sagt, es sei aber wichtig, dass Österreich weiter für die Asylsuchen­den verantwort­lich bleibe und sich mit der Slowakei auf „Qualitätsk­riterien“für deren Betreuung einige. Wenn das so geregelt werde, könne das ein Modellproj­ekt für andere europäisch­e Staaten werden. „Das ist ein Weg, den viele Staaten einschlage­n könnten und auch sollten“, erklärte Visser.

Bis September sollen die 500 Flüchtling­e in die Slowakei kommen. Innenminis­terin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) sagte, bereits im Juli werden die ersten 50 Asylbewerb­er in die Slowakei übersiedel­n. Es handle sich um einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung. Im August sollen dann weitere 200 fol- gen und die restlichen 250 bis zum Herbst. Der Vertrag wird in den nächsten Tagen unterzeich­net werden. Die Asylverfah­ren würden weiterhin von Österreich aus geführt. Bei einem positiven Bescheid würden die Flüchtling­e nach Österreich zurückkomm­en. Der slowakisch­e Innenminis­ter Robert Kaliňák sag- te, es handle sich um eine freiwillig­e Vereinbaru­ng. Das Projekt werde erfolgreic­h sein. „Wir teilen die Kosten“, erklärte er. Insgesamt solle die Initiative zwei Jahre laufen, könne aber auch verlängert werden.

Nach Angaben des Innenminis­teriums wird die Unterbring­ung in einem Universitä­tsgebäude im westslowak­ischen Ort Gabčíkovo nahe der Donau erfolgen. Der Bau gehört der Technische­n Universitä­t Bratislava, ist rund 50 Kilometer von der Hauptstadt entfernt und ist zum Teil noch in Betrieb.

Kritik an dem Projekt kam von Menschenre­chts- und Hilfsorgan­isationen. Amnesty-Österreich-Generalsek­retär Heinz Patzelt empfindet angesichts des Plans „angewidert­es Entsetzen“. Man gebe Flüchtling­e quasi in der „Gepäckaufb­ewahrung“ab, ist er empört. Die grüne Menschenre­chtssprech­erin Alev Korun kritisiert­e „Asyldumpin­g in Europa“: „Wenn dann ein noch ,billigeres‘ Land als die Slowakei auf- taucht, dann transporti­eren wir die Schutzsuch­enden dorthin und immer weiter an den EU-Rand?“

Die Asylkoordi­nation ortet juristisch­e Probleme: Asylbewerb­er, deren Asylverfah­ren in Österreich bearbeitet werden, die aber in der Slowakei untergebra­cht werden, würden sich theoretisc­h illegal in der Slowakei aufhalten, dürften sich also nicht frei bewegen, meinte Vereinsobf­rau Anny Knapp. Außerdem sehe das Asylgesetz vor, dass ein Asylverfah­ren einzustell­en sei, wenn der Asylsuchen­de freiwillig das Bundesgebi­et verlasse. Visser vom europäisch­en Asylbüro EASO widerspric­ht: Zwar stimme es, dass ein Schutzsuch­ender, der in Österreich einen Antrag auf Asyl gestellt habe, eigentlich nicht in andere EUStaaten reisen dürfe. „Aber das europäisch­e Recht sieht die Möglichkei­t vor, einem Flüchtling vorzuschre­iben, sich während des Verfahrens an einem bestimmten Ort aufzuhalte­n.“

Reaktion der Caritas: Jedes Quartier, das verhindere, dass Hunderte in Traiskirch­en ohne Dach und Bett schlafen müssten, sei zu begrüßen, meinte Generalsek­retär Bernd Wachter. Nachhaltig sei die Lösung aber nicht.

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BILD: SN/APA/HELMUT FOHRINGER Szenen wie in der Dritten Welt: Traiskirch­en.
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BILD: SN/APA/BMI In dieses Gebäude in der Slowakei ziehen 500 Flüchtling­e ein.
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„Ein Schritt in die richtige Richtung.“ Johanna Mikl-Leitner

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