Traiskirchen ist am Limit
Menschen schlafen auf der Wiese oder in Zelten. Die Stimmung ist am Kochen. Ein Besuch im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen zeigt die dramatische Situation der Asylsuchenden.
3500 Asylsuchende sind das derzeit in der niederösterreichischen Stadt. Und es werden täglich mehr. „Wir sind am Limit“, erzählt der Beamte. 1900 Asylanträge seien in der vergangenen Woche in Österreich gestellt worden, sagt Maier, während er auf die unter Bäumen schlafenden Menschen blickt.
Viele suchen Schutz vor der Sonne und kauern sich im Schatten zusammen. Dazwischen laufen Kinder hin und her, Frauen sitzen im Kreis. Kommen Besucher, bildet sich sofort eine Menschentraube. Abwechslung ist hier willkommen, jeder will hier seine Geschichte erzählen. Traiskirchen ist ein Spiegel der Weltpolitik. Hier sieht man, welche Krisen es gerade rund um den Globus gibt. „Menschen aus 40 bis 45 Nationen sind hier untergebracht“, sagt Maier.
Der Großteil der Asylsuchenden kommt aus Syrien, dem Irak und Afghanistan. Arabische Rufe und Pfiffe hallen von den Mauern der ehemaligen Kaserne, wenn man den Hof betritt. „Wir warten auf unseren Transfer seit Wochen“, brüllt ein Mann aus der Menge, die Stimmung ist aufgeheizt. Mit dem Transfer ist die Unterbringung in eine Einrichtung in einem der Bundesländer gemeint. Das funktioniert nur schleppend, auch deshalb steigt die Zahl der Asylsuchenden in Traiskirchen ständig. Die 500 Mitarbeiter im Asylzentrum scheinen überfordert mit der Situation. Sicherheitsleute stehen an jeder Ecke auf dem Areal. Manche blicken grimmig drein, manche reden mit den Asylbewerbern. „Wir suchen dringend Leute für die Flüchtlingsbetreuung“, erklärt Maier. Die Versorgung mit Essen und Medizin funktioniere, die fehlenden Betten seien das Problem.
Die Asylsuchenden erzählen andere Geschichten. Viele seien krank, hätten Lungenprobleme. Die Situation „im Lager“, wie die Traiskirchner die Erstaufnahmestelle nennen, ist angespannt. Hitze, lange Wartezeiten bei Behördenwegen und Überbelegung vermischen sich auf dem Areal zu einem explosiven Cocktail.
40 Polizisten sind hier ständig im Einsatz. Vor wenigen Tagen wurde das Gebäude 17 gesperrt. Die Mitarbeiter der Rechtsberatung konnten dort nicht mehr sicher arbeiten. Heute ist das Haus wieder offen, Dutzende Bereitschaftspolizisten patrouillieren davor.
Trotzdem wird auch gelacht in Traiskirchen, Hunderte Kinder sind auf dem Spielplatz. Sie fahren mit Rollern oder kleinen Fahrrädern. Es sind Spenden der Traiskirchner. „Aber wir brauchen keine Spenden, wir haben alles“, sagt Maier. Außer genügend Schlafplätzen. „Falls es regnet und in der Nacht sperren wir die Garagen auf.“
Dort kommt auch Amer manchmal unter. Den restlichen Tag verbringt er mit Fußballspielen. Gegen ein paar Männer aus Somalia habe er gerade gewonnen. Auch in der Küche hilft er manchmal und putzen würde er auch gern. Drei Euro bekommen die Asylbewerber in der Stunde für einen dieser begehrten Jobs.
725 Betten sollen laut Innenministerium nächste Woche in den Bundesländern geschaffen werden. Bis Ende Juli sollen es 2187 werden. Sedra Z. würde gern an einen anderen Ort. Sie steht vor der Kleiderausgabe und sucht nach einem TShirt für ihren vierjährigen Sohn. „Die Situation ist nicht mehr auszuhalten“, sagt sie. Die 23-Jährige hat Englisch in Syrien studiert, bis der Krieg begann. Ihren Mann hat sie auf der Flucht an der ungarischserbischen Grenze aus den Augen
„Viele Männer hier sind aggressiv. Ich habe Angst um mein Kind.“
verloren. Foto will sie keines von sich in der Zeitung sehen. Sie habe noch immer Angst. Angst habe sie auch, dass etwas im Asylzentrum passiert. „Die Männer brüllen herum, viele sind aggressiv, ich habe Angst um mein Kind.“Sie ist mit ihrem Sohn in einem der 60 Zelte untergekommen. Bis dahin habe sie auf den Gängen in einer der Unterkünfte geschlafen.
„Frauen mit Kindern werden natürlich bevorzugt“, sagen die Verantwortlichen. Auch unbegleitete minderjährige Flüchtlinge werden berücksichtigt. 1516 von ihnen leben derzeit in dem Erstaufnahmezentrum. „Wir können sie nicht altersgemäß betreuen“, erklärt Maier. Geeignete Unterkünfte für die Jugendlichen in den Bundesländern fehlten aber. Deshalb bleiben sie in Traiskirchen.
Dort hat man sich herausgeputzt für den Medienbesuch. Die Gänge sind gesäubert, es riecht nach Putzmittel, vor dem Gebäude 1, das den Journalisten gezeigt wird, türmen sich Müllsäcke. Der Zutritt für die Öffentlichkeit ist ansonsten untersagt. Man wolle die Persönlichkeitsrechte der Asylbewerber schützen, heißt es. Und: „Die Asylbewerber glauben, dass sich etwas an ihrer Situation ändert, wenn hier Fernsehteams durchgehen“, sagt Maier. „Aber das stimmt nicht.“