Roboter nehmen menschliche Züge an
In Japan moderieren Maschinen, die aus der Ferne kaum von Menschen zu unterscheiden sind, die Nachrichten und kuscheln mit Senioren. Was heißt das für den Menschen und wie weit kann er selbst „verbessert“werden?
Freund oder Feind, Helfer oder Manipulator: Die Technologie dringt immer weiter in den Alltag des Menschen ein – und sie kommt auf leisen Sohlen daher, beinahe unbemerkt. „Wir passen uns technischen Neuerungen rasant an und wissen dabei oft gar nicht, woran genau wir uns anpassen“, sagt Bernadette Kamleitner von der Wirtschaftsuniversität Wien. Die Konsumentenpsychologin hat kürzlich eine Tagung zu Zukunftstechnologien organisiert.
In Japan sorgen Roboter bereits jetzt dafür, dass ältere Menschen ihre Tabletten nehmen, sie kuscheln mit ihnen, wenn sie Nähe brauchen, und sie analysieren, wie oft der Mensch auf die Toilette geht. „Japan hat sich bewusst dagegen entschieden, ausländische Pflegekräfte zu importieren – stattdessen bauen sie humanoide Roboter für die Pflege“, sagt Kamleitner. Die Roboter haben Gesichtszüge, sodass es aus der Ferne schwierig ist, sie von Menschen zu unterscheiden.
Im Vergleich zu Japan ist Österreich ein Roboter-Entwicklungsland, das sich erst auf dem Smartphone-Level befindet: „Wir bestimmen etwa über eine App am Smartphone, wann sich die Jalousien schließen“, sagt Kamleitner. Das müsse aber nicht unbedingt so bleiben. Immer mehr Geräte im eigenen Heim ließen sich steuern – und auch vernetzen. Der Stromzähler spricht dann etwa mit dem Ther- mostat und dem Kühlschrank. „Es gibt einen Kipppunkt, an dem die Geräte nicht mehr einzeln, sondern als Gesamtsystem betrachtet werden.“Dann dimmt das Haus selbstständig das Licht, wenn es erkennt, dass die Bewohner zu aufgeregt zum Schlafen sind. Das Haus lässt auch den Lieferanten ins Vorzimmer, selbst wenn die Besitzer nicht da sind. „Man entwickelt ein gewisses Vertrauen gegenüber dem Sys- tem – und traut dem Haus sogar zu, dass es den Besitz schützt“, sagt Kamleitner. Der Vorteil sei die Effizienz. Wenn alles messbar ist, kann die Technologie Abläufe optimal gestalten. Der Stromverbrauch sinkt, die Menschen schlafen genug. Der Nachteil: „Jeder mit einem gewissen Level an Technologieverständnis hat den Schlüssel zu meinem innersten Privatleben“, sagt Kamleitner. Nicht einmal Experten könnten begreifen, welche Veränderungen das in der Gesellschaft nach sich ziehe. Der Forscher Stephen Hawking zweifle etwa an der Technologie – denn wenn sie die Welt übernehme, kehre sich das Verhältnis zwischen Herr und Diener um. „Und Maschinen brauchen keine Diener.“Als Konsumentenpsychologin will Kamleitner erforschen, wie sich das Kaufverhalten durch das Smart Home ändert. Wenn der Kühlschrank die Milch bestellt, welche Packung werden die Menschen dann öffnen? „Wenn der Kühlschrank die Entscheidungen trifft, könnte es zu mächtigen Kooperationen und großen Monopolen kommen“, sagt Kamleitner. Eine Molkerei könnte den Markt dominieren, den Preis steigern, die Bauern in die Knie zwingen – ohne dass es die Konsumenten bemerkten.
Fließend sind die Übergänge auch in der Prothetik: Wer bei einem Unfall einen Arm verloren hat, ist froh über eine Prothese. Wenn er über die Prothese nun aber mehr Kraft entwickeln kann als mit Muskeln, spricht die Wissenschaft von Human Enhancement. Das erste Beispiel von Human Enhancement tragen viele Menschen auf der Nase. „Wir wurden alle zu kleinen Cyborgs, als wir Brillen aufgesetzt haben“, sagt Kamleitner. Dadurch konnten selbst Menschen mit zehn Dioptrien wieder sehen – ein großer Vorteil. „Die Frage ist, welche Verbesserungen ethisch noch vertretbar sind und welche Grenzen nicht überschritten werden sollen“, sagt Kamleitner. Ginge es zu weit, wenn ein Mensch plötzlich mit einem Arm ein Auto aufheben könnte?
Die Technologie kann ein Freund sein, weil sie im Alltag hilft. Sie kann auch ein Feind sein, wenn sie die Menschen manipuliert und ausspioniert. Es komme auf die Rolle der Menschen an, sagt Kamleitner: „Die technologische Entwicklung ist gleichzeitig beängstigend und spannend.“