Am Ende muss Tsipras Neuwahlen ausrufen
Der griechische Premier hat nicht mehr genügend Rückhalt in seiner Partei. Mit politischer Stabilität ist daher nicht zu rechnen.
229 Ja-Stimmen – noch nie seit Beginn der Schuldenkrise gab es im griechischen Parlament eine so breite Mehrheit für ein Spar- und Reformprogramm. Auch die Griechen stehen mehrheitlich dahinter. Laut einer Umfrage stimmen 51,5 Prozent der Bevölkerung den Maßnahmen zu. Die sind zwar schmerzhaft – die Griechen müssen höhere Steuern zahlen und für ihre Pension länger arbeiten. Aber insgeheim wissen die meisten Menschen: Das Land braucht Reformen, wenn es wettbewerbsfähig werden will.
Beim Linksbündnis Syriza hat sich diese Erkenntnis allerdings noch nicht durchgesetzt. Hätte sich Premier Alexis Tsipras allein auf die Stimmen seiner eigenen Fraktion verlassen, wäre das Paket durchgefallen. Dass es verabschiedet wurde, hat der Regierungschef der Unterstützung von drei Oppositionsparteien zu verdanken. Tsipras hat seine Regierungsmehrheit erneut verfehlt – wie schon bei der Abstimmung über das Verhandlungsmandat vor einer Woche. Das Sparprogramm treibt einen tiefen Keil in Tsipras’ Partei.
Dass Tspiras selbst sein Land in eine ausweglose Lage gebracht hat, dass er fünf Monate lang lavierte, pokerte und zauderte, dass er damit die Wirtschaft zurück in die Rezession stürzte und das Bankensystem an den Rand des Zusammenbruchs führte, statt gleich nach seiner Wahl im Februar ein Rettungsprogramm auszuhandeln, das viel weniger schmerzhaft ausgefallen wäre – all das sagte der Premier im Parlament nicht. Vor dieser bitteren Wahrheit verschließt er weiterhin die Augen.
Das jetzt gebilligte Sparpaket war nur der erste Schritt. Damit öffnet sich die Tür zu Verhandlungen über die Details eines dritten Rettungsprogramms. Weitere, nicht weniger schmerzhafte Einschnitte werden folgen. Auch bei künftigen Abstimmungen kann sich Tsipras nicht auf seine eigene Fraktion verlassen. Er könnte versuchen, an der Spitze einer Minderheitsregierung weiterzumachen, gestützt von Fall zu Fall auf die Duldung oder Zustimmung der Opposition. Problematischer noch: Tsipras muss jetzt Reformen und Sparmaßnahmen umsetzen, an die er nach eigener Aussage gar nicht glaubt. Entschlossene Führung und politische Stabilität sehen anders aus.
Früher oder später wird Tsipras Zuflucht zu Neuwahlen nehmen, möglicherweise schon in diesem Herbst. Der Wahlkampf wird das Krisenland erneut über Wochen lähmen. Eine Prognose darf man schon jetzt wagen: Syriza wird an diesem Reformprogramm zerbrechen.