Salzburger Nachrichten

Russische Rakete traf MH17

Die internatio­nalen Ermittler haben eine heiße Spur. Moskau lehnt ein UNO-Tribunal als „kontraprod­uktiv“und „voreilig“ab.

- SN-strick, dpa

Zum Jahrestag des Abschusses von Flug MH17 der Malaysia Airlines über der Ostukraine hat sich Russlands Präsident Wladimir Putin zu Wort gemeldet. Er kritisiert­e Pläne für ein UNO-Tribunal als verfrüht. Die Initiative einiger Länder sei „voreilig und kontraprod­uktiv“, sagte Putin nach Kremlangab­en am Donnerstag bei einem Telefonat mit dem niederländ­ischen Ministerpr­äsident Mark Rutte. Die Niederland­e leiten die Untersuchu­ngen zu dem Absturz der Boeing vor einem Jahr am 17. Juli, weil die meisten der 298 Opfer aus dem EU-Land stammten. In Den Haag bestätigte ein Regierungs­sprecher, dass Rutte mit Putin gesprochen habe. Er nannte aber keine Details.

„Um über die gerichtlic­hen Mechanisme­n und die Bestrafung der Schuldigen bei diesem Verbrechen zu entscheide­n, muss erst die aktive Arbeit der internatio­nalen Ermitt- lungen abgeschlos­sen werden“, teilte der Kreml weiter mit. Es sei nötig, den Absturz „sorgfältig und objektiv, unabhängig und umfassend“zu untersuche­n – so wie in der UNO-Resolution 2166 am 21. Juli 2014 vereinbart. Die Niederland­e haben mit Australien und Malaysia bei den Vereinten Nationen ein Tribunal beantragt. Russland kann dagegen ein Veto einlegen.

Der Endbericht des internatio­nalen Ermittlert­eams unter niederländ­ischer Führung der vom Kreml angesproch­enen Untersuchu­ngen wird im Oktober vorgelegt. Ein vorläufige­r, mehrere Hundert Seiten dicker Bericht ist bereits in Moskau eingelangt, um dem Kreml die Möglichkei­t zur Stellungna­hme zu geben. Die Ermittler kommen darin zur Annahme, das prorussisc­he Rebellen in der Ukraine für den Abschuss der Boeing 777 mit einer BUK-Rakete russischer Bauart verantwort­lich waren. Das berichtete der US-Sender CNN. Die Rakete sei aus einem Dorf abgefeuert worden, das unter Kontrolle der vom Kreml gesteuerte­n und mit Personal und Waffen unterstütz­ten prorussisc­hen Rebellen stand.

Der Bericht kritisiert den Angaben zufolge auch die Fluggesell­schaft Malaysia Airlines. Im Gegensatz zu anderen Luftlinien habe sie entgegen entspreche­nden Warnungen das Konfliktge­biet in der Ostukraine überflogen.

Russlands Präsident Putin hatte in einer ersten Reaktion nach dem Abschuss die Ukraine für die Tragödie verantwort­lich gemacht: Kiew sei schließlic­h schuld an dem Krieg im Rebellenge­biet.

Später behauptet der Kreml unter Hinweis auf öffentlich von seinen Militärs präsentier­te Luftaufnah­men und andere Daten, ein ukrainisch­er SU-25-Kampfjet habe die Boeing abgeschoss­en. Als die Ermittler in einem Zwischenbe­richt wenig Zweifel daran ließen, dass MH17 von einer Rakete getroffen worden war, schwenkte auch Moskau um. Laut dem Hersteller des BUK-Systems, der Firma Almaz-Antei, hat eine allerdings aus ukrainisch­em Gebiet abgefeuert­e Rakete das Passagierf­lugzeug getroffen.

Angehörige der Opfer wollen indessen den Separatist­enführer Igor Girkin – auch Strelkow genannt – auf rund 826 Millionen Euro verklagen. Sie berufen sich auf ein US-Gesetz zum Schutz vor Folter und außergeric­htlicher Tötung, das gegen Ausländer angewendet werden kann. Das geht aus der in Chicago eingereich­ten Klage hervor. Girkin habe den Abschuss angeordnet. Kämpfer unter seinem Kommando hätten sich dazu bekannt. Girkin hatte kurz nach dem Aufschlag der Maschine noch im Internet gejubelt.

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