Der Iran muss Milliarden investieren
Doch Bürokratie, Korruption und die Privilegien der Revolutionsgarden dürften einen Boom verhindern.
Ein leicht mulmiges Gefühl beschleicht die Touristengruppe aus der Schweiz, als der Airbus A300 der Mahan Air mit ohrenbetäubendem Lärm vom Flughafen der ostiranischen Millionenstadt Maschad abhebt. 29 Jahre alt sei die voll besetzte Maschine, erzählt der Steward. Bereits vor einem Jahr hatte der Direktor der iranischen Zivilluftfahrtbehörde, Alireza Jahangirian, angekündigt, dass nach der Aufhebung der Sanktionen iranische Airlines in jedem der kommenden zehn Jahre mindestens 40 Flugzeuge kaufen würden. Piloten gibt es genug im Iran. Von den 230 Passagierflugzeugen stehen knapp 60 Prozent auf dem Bo- den, weil sie nicht repariert werden können. Auch der Maschinenpark zahlreicher Industriebetriebe ist veraltet. Der größte Investitionsbedarf besteht – neben der Zivilluftfahrt – in der Öl- und Gasindustrie. Von den rund 110 Milliarden Dollar, die nach dem Ende der Strafmaßnahmen dem Iran zurückgegeben werden, fließt vermutlich mehr als die Hälfte in die Modernisierung der Förderanlagen. Schon 2016 will Teheran seine Erdölexporte von 1,2 auf 2,3 Millionen Barrel fast verdoppeln. Experten erwarten dagegen nur eine Erhöhung um 400.000 Fass. Trotzdem ist das Land für den erwarteten Wirtschaftsaufschwung recht gut gerüstet. Auslandsschulden von nur zehn Milliarden Dollar stehen acht Mal so hohe Währungsreserven gegenüber. Im Gegensatz zu den auf ostasiatische Gastarbeiter angewiesenen arabischen Golfstaaten sind die meisten Einwohner des Irans gut ausgebildet, überwiegend westlich orientiert und konsumfreudig. Um wirtschaftlich einigermaßen zu überleben, mussten viele Iraner in den vergangenen Jahren bis zu drei verschiedene Jobs pro Tag verrichten. Von der erhofften Rückkehr internationaler Konzerne wie Peugeot, Mercedes, Siemens und Eni versprechen sie sich bessere Arbeitsmöglichkeiten und markante Lohnsteigerungen.
Glaubt man dem Chefvolkswirt der Economist-Gruppe, Simon Baptist, wird die iranische Wirtschaft von 2016 bis 2019 jedes Jahr um 5,2 Prozent wachsen. Bis 2020 wird die Islamische Republik dann von Platz 29 auf Platz 22 der größten Volkswirtschaften der Welt vorrücken und mit der Schweiz und Argentinien gleichziehen. Einen Wachstumsboom aber dürften Bürokratie und Geschäftsgebaren verhindern. Eben erst haben die Außenminister der 5+1-Gruppe (die UNO-Vetomächte und Deutschland) die Erfahrung gemacht, wie anstrengend und vor allem langwierig es ist, mit dem Iran zu einem Abschluss zu kommen. In der reformbedürftigen Wirtschaft ist dies nicht anders. Korruption ist weitverbreitet. Die Privatwirtschaft hat es schwer, sich gegen die Revolutionsgardisten zu behaupten, deren Großkonzerne vom Staat bevorzugt werden.
Von dem Machtkampf nicht betroffen sind die traditionellen Nichtölprodukte des Irans: Der Export von Pistazien, Trockenfrüchten, Gewürzen und Kaviar wird nach der für das Frühjahr erwarteten Aufhebung der Sanktionen schon bald in die Höhe schießen.