Maria Scharapowa
Eine Tennisdiva tritt nicht auf. Sie erscheint. Mit dem Gardemaß von 1,88 Metern wirkt Maria Scharapowa sogar in einem grünen Trainingsanzug äußerst elegant. Die laut „Forbes“wertvollste weibliche Sportlerin auf diesem Planeten treffen wir in einem Düsseldorfer Luxushotel. Ganz unprätentiös und charmant stellt sich die Weltranglistenzweite vor: „Hallo, ich bin Maria.“Und man ist geneigt zu sagen: „Natürlich. Ich weiß.“Die 28-Jährige erzählt im exklusiven Interview mit den „Salzburger Nachrichten“über ihre sportlichen Ziele, ihre geheimen Wünsche und über Neid. SN: Haben Sie nach Ihrem Ausscheiden in Wimbledon im Halbfinale gegen Serena Williams das Turnier eigentlich noch verfolgt? Scharapowa: Eigentlich will man nach einer schmerzvollen Niederlage wie dieser nichts mehr davon hören und man will sich schon auf die nächsten Aufgaben vorbereiten. Aber ich genieße es, Sport im Fernsehen anzuschauen, vor allem das Herren-Finale. Aber gleich danach fährst du zum nächsten Turnier, zum nächsten Ort. SN: Die Tenniswelt spricht zumeist über Sie und Serena Williams. Danach scheint eine große Lücke ohne ähnliche schillernde Spielerinnen zu klaffen. Was kommt nach Ihnen im Damentennis? Ich sehe diese Lücke nicht. Es kommen immer wieder jüngere Spielerinnen zwischen 19 und 20 Jahren nach oben, die auf die Arrivierten Druck ausüben. Im Vorjahr war es in Wimbledon Eugenie Bouchard, heuer Garbiñe Muguruza. Natürlich sprechen wir immer über die Top 5 und die großen Namen und ihre schillernden Geschichten, aber man darf dabei nicht die aufstrebenden Talente vergessen. SN: Auf dem Platz wirken Sie immer konzentriert, so fokussiert, als ob Sie nichts aus der Ruhe bringen könnte. War das auch schon in jungen Jahren so? Auf dem Platz musst du diese ein bis drei Stunden auf das Wesentliche konzentriert sein. Die anderen Stunden abseits des Courts kannst du tun, was du willst. Aber wenn du draußen bist: Warum sollst du nicht konzentriert sein und bis zum letzten Punkt kämpfen? Das ist deine Zeit, für diese Stunden auf dem Platz arbeitest du so hart. SN: Es scheint, als ob gerade diese mentale Stärke Sie von den anderen unterscheidet. Das habe ich mir schon in jungen Jahren zugelegt. Ich war nicht die größte, nicht die kräftigste Spielerin am Anfang der Karriere. Ganz im Gegenteil. Ich habe in früher Jugend mein Tennis den Gegebenheiten anpassen müssen. Ich habe von da an gewusst, dass es neben dem Körperlichen vor allem um das Mentale geht. Heute geht es vor allem darum: Wie schnell kannst du den schlechten Moment überwinden und dann sogar gewinnen, wenn du nicht dein bestes Tennis spielst?
Tennis-Weltstar Maria Scharapowa liebt es glamourös und rasant. Die Russin ist die bestbezahlte Sportlerin der Welt.
SN: Auf dem Platz sind Sie also cool. Wann geraten Sie privat in Rage? Ich weiß nicht. Aber vielleicht, wenn ich in gewissen Situationen das Vertrauen in einen Menschen verliere. Normalerweise flippe ich nicht so leicht aus. Das liegt vielleicht daran, dass ich schon in jungen Jahren so erwachsen habe sein müssen. So habe ich schon früh viele Überraschungen, positive wie negative, erleben müssen. SN: Olympia in London 2012 war ja etwas ganz Besonderes für Sie: Sie durften für Russland bei der Eröffnungsfeier die Flagge tragen und dann gewannen Sie auch noch die Silbermedaille im Einzel. Die Silbermedaille von London hat mich persönlich richtig stolz gemacht. Es war eine Medaille für mein Land, in dem ich geboren wurde, in dem meine Familie wohnt. Die Olympischen Spiele haben mich auch immer an meine Kindheit in Russland erinnert, in der ich die Spiele immer mitverfolgt habe. SN: Zu Ihren Eltern haben Sie ein außergewöhnliches Nahverhältnis. Zu Beginn der Tenniskarriere haben Ihre Eltern gesagt: Wenn es nichts wird, dann kehren wir in unser altes Leben zurück. Da waren Sie sieben Jahre alt, als Sie nach Florida ins Camp von Tennisguru Nick Bollettieri gingen. Das hat gehörig Druck genommen. Denn die Erwartungen an ein junges Mädchen in einer neuen Welt waren schon hoch. Man hatte die Angst, dass man diese Hürden nicht überwinden kann. Aber man hatte auch Träume, die man in dieser Tennisakademie verwirklichen wollte. Trotzdem gibt es vermutlich viel mehr Geschichten von jungen Spielerinnen und Spielern, die es nicht ins Rampenlicht geschafft haben. Geholfen hat dabei meinen Eltern, dass sie die Option hatten, wieder nach Russland zurückzukehren. Sie hatten auch keine Angst, dorthin zurückzukehren. SN: Sie müssen das ganze Jahr über viel reisen. Sie leben jetzt in Florida. Sie sind in Sotschi aufgewachsen. Wo ist Ihr Zuhause? Das ist schwer zu sagen. Wirklich. Ich versuche eigentlich, mich an keinen Ort so richtig zu binden. Das liegt schon daran, dass ich viel reisen muss. Deshalb ist es auch schwierig, sich emotional an einen Ort zu binden. Das Reisen ist eigentlich die Geschichte meines Lebens. Ich lebe aus dem Koffer. Wenn ich reise, habe ich auch kein Heimweh. Die Option für ein anderes Leben gibt es noch nicht. SN: Sie sind ein Tennis-Weltstar, Sie sind als Geschäftsfrau erfolgreich, es scheint so, als ob Ihr Tag 26 Stunden hat. Das würde ich mir manchmal wünschen. Die würde ich dann zum Schlafen verwenden (lacht). Ich glaube, ich bin erfolgreich, weil ich einfach die Dinge, die ich mache, genieße. Natürlich ist eine Prioritätenliste dabei immer sehr wichtig. SN: Sie sind ja die reichste Sportlerin der Welt (rund 25 Mill. Dollar pro Jahr, Anm.). Was machen Sie mit all dem Geld? Ich habe gehört, dass Sie viel für Kunst ausgeben. Ja, das stimmt. Aber ich gehe sehr sorgsam mit meinem Geld um. Ich gehe nicht hinaus und verschwende mein Geld, ich überlege schon lange, bevor ich in etwas investiere. Trotzdem genieße ich es, schöne Möbel zu kaufen oder eben für Kunstwerke mein Geld auszugeben. SN: Können Sie sich vorstellen, dass es Menschen gibt, die Neidgefühle gegen Sie hegen? Ich hoffe, dass die Leute nicht neidisch sind auf mich. Denn wie ich heute leben darf, das habe ich mir hart erarbeitet. Das hat nichts mit Glück zu tun. Natürlich war bei mir wichtig, dass ich die wichtigen Entscheidungen in die richtigen Hände gegeben habe. Erfolg wird für mich in vielen Facetten gemessen. Da wirken viele Dinge ineinander. Ich hoffe, die Menschen sehen in mir ein positives Beispiel für Erfolg. SN: Sie sind Testimonial für viele Firmen, darunter zum Beispiel Porsche. Sie haben das Turnier in Stuttgart drei Mal gewonnen und jedes Mal hat es als Siegerpreis diesen Luxuswagen gegeben. Wo stehen die drei Porsche nun? Zwei stehen in Florida, einer in Los Angeles. SN: Aber Sie können ja wegen der Geschwindigkeitsbeschränkungen in den USA die schnellen Autos gar nicht ausfahren? Ich fahre sie trotzdem. Es wäre ja eine Schande, wenn ich diese schönen Autos nicht nutzen würde. Und wenn ich nur in der Garage in ihnen sitze. Auch mein Vater fährt gern damit – die Autos werden bei uns also in der Familie geteilt. SN: Vielleicht wissen Sie es gar nicht, aber die Familie Porsche kommt nicht aus Deutschland, sondern aus Die am 19. April 1987 in Njagan geborene Russin wuchs in Sotschi auf. Mit sieben Jahren wanderte sie zusammen mit ihren Eltern nach Florida aus. Seit ihrem Profi-Einstieg 2001 hat Scharapowa (im Bild mit SN-Sportchef Richard Oberndorfer) 35 WTATurniere und fünf Grand Slams gewonnen. Ihr Jahreseinkommen wird auf 25 Millionen Dollar jährlich geschätzt. der Region, wo die „Salzburger Nachrichten“herkommen. Ehrlich gesagt habe ich es nicht gewusst. Aber mein Management hat mich auf das Interview mit Ihnen gut vorbereitet. SN: Welches Signal müsste sich bei Ihnen bemerkbar machen, dass Sie sagen: Jetzt beende ich meine Karriere. Ich glaube, in diese Richtung habe ich keinen Plan. Ich finde es langweilig, alles durchzuplanen. Bei mir sind immer so viele Dinge durchgeplant. Da finde ich es reizvoll, wenn viele Dinge unbekannt bleiben. SN: Wie schaut es mit der Karriere danach aus? Sie könnten doch als Model oder als Schauspielerin auftreten. Um Gottes Willen. Ich werde nicht modeln und ich werde nicht Schauspielerin (lacht). Nur weil ich eine große Athletin bin, heißt das ja noch nicht, dass ich eine gute Schauspielerin bin. SN: Obwohl Tennisfilme gerade „in“sind. So soll ja das Leben von Boris Becker in Deutschland verfilmt werden. Vielleicht wollen Filmschaffende auch Ihr Leben verfilmen. Da müssten so viele Kapitel geschrieben werden, das würde doch sehr kompliziert werden. Aber im Ernst: Ich werde nicht in diese Richtung gehen. Ich bleibe auf der Seite der Filmzuschauerin mit Popcorn. SN: Wie sollten sich die Menschen im Jahr 2100 an Maria Scharapowa erinnern? Was sollen sie sagen? Ich möchte den Menschen nicht vorschreiben, was sie über mich sagen sollen. Das macht das Ganze ja so interessant, dass es verschiedene Menschen mit Visionen und Talenten gibt. Das hält die Welt am Laufen. Aber das sollten die Menschen selbst beurteilen. Ich versuche, mein Leben so zu leben, wie ich es mir vorstelle und wie es mir meine Eltern vorgelebt haben.