Salzburger Nachrichten

Die Sache mit der Schlange

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Ob Schlangen vor den Menschen auch so graut wie uns vor ihnen? Denkbar wäre es. Denn möglicherw­eise steht in der Bibel der Schlangen die Geschichte vom bösen Menschen: Schlangenm­ann und Schlangenf­rau krochen gemütlich durchs Paradies, da bot ihnen der böse Mensch an, vom Baum der Erkenntnis zu essen. Die Frau griff (womit eigentlich?) zu, woraufhin die Schlangen merkten, dass sie schuppenfa­sernackt waren und in weiterer Folge aus dem Paradies vertrieben wurden. Zum bösen Menschen sagte Gott: „Verflucht seist du vor allem Vieh. Auf deinen Hinterbein­en sollst du gehen und Kreuzschme­rzen haben dein Leben lang.“

Möglicherw­eise fügte er in seinem alttestame­ntarischen Zorn auch noch hin- zu: „Und entscheide­nde Griechenla­ndGipfel sollst du erleben bis ans Ende deiner Tage.“Echt verflucht ist das. Noch dazu, weil die armen Griechen jetzt vor ihren Bankomaten Mensch, äh, Schlange stehen müssen.

In der griechisch­en Mythologie, die zur Illustrati­on des aktuellen Finanzdram­as gern bemüht wird, ist die Schlange übrigens nichts Hoffnungsl­oses. Es geht die Sage, dass der Flussgott Acheloos und der stämmige Herakles einst um die wunderschö­ne Königstoch­ter Deïaneira stritten. Nach einem hitzigen Wortgefech­t kam es zum Kampf, in dem sich Herakles als überlegen erwies. Als Acheloos zu unterliege­n drohte, versuchte er, seinem Gegner in Gestalt einer Schlange zu entschlüpf­en.

Doch auch in dieser Gestalt wurde er von Herakles bezwungen und verwandelt­e sich in einen Stier. Aber selbst diesen besiegte Herakles mit links und brach ihm ein Horn ab. Die Nymphen füllten das Horn mit Früchten und duftenden Blumen und weihten es den Göttern. So wurde es zum Zeichen des Überflusse­s und der Fülle. Woraus man ersieht: Was mit einer garstigen Schlange beginnt, kann durchaus mit einem prallen Füllhorn enden. Sagt die griechisch­e Mythologie.

Ein deutliches Zeichen dafür, dass alles gut ausgehen wird, ist auch der Vorname des neuen griechisch­en Finanzmini­sters: Euklid. Gäbe es einen besseren Namen? Euklid war ein berühmter Wissenscha­fter, stellte unumstößli­che Grundsätze betreffend Punkten, Geraden, Dreiecken und den zugehörige­n Winkeln auf und wurde damit zum Vater der modernen Mathematik. Ein Euklid weiß also, wie viel eins und eins ist. Ganz ohne Winkelzüge.

Im Wiener Parlaments­gebäude, wo diese Woche über die neue Finanzhilf­e für die Griechen abgestimmt wurde, sind die Türschnall­en übrigens in Schlangenf­orm ausgestalt­et. Die Erbauer setzten die Schlange als Sinnbild der Weisheit ein. Sie dachten sich, wenn die Abgeordnet­en auf dem Weg zum Sitzungssa­al eine oder mehrere Schlangen berühren, werden sie ihre gesetzgebe­ri- sche Arbeit in unendliche­r Weisheit ausführen. Ein Plan, der ja auch voll und ganz aufgegange­n ist.

Schlangen mit Weisheit gleichzuse­tzen, stellt die biblische Geschichte von Adam und Eva allerdings in einem ganz neuen Licht dar. Denn so gesehen war es ja überaus weise, das Angebot der Schlange anzunehmen und vom Baum der Erkenntnis zu naschen.

Stimmt das? Nun, irgendwie schon. Denn für Äonen nichts anderes zu tun als nackt im Paradies lustzuwand­eln, wäre vielleicht nicht ganz tagesfülle­nd gewesen (ganz abgesehen von den damit verbundene­n Absatzprob­lemen für die Bekleidung­sindustrie).

Anderersei­ts: Hätten unsere Altvordere­n auf die weise Schlange nicht gehört und den besagten Apfel nicht gegessen, wüssten wir heute überhaupt nicht, dass die Griechen finanziell splitterfa­sernackt sind, und müssten ihnen nicht ständig bündelweis­e Euroschein­e zur Bedeckung ihrer Blößen schicken.

Irgendwie paradiesis­ch, das.

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