Salzburger Nachrichten

Festspiele im Wohnzimmer

Die Arie in den vier Wänden oder doch lieber im Opernhaus?

- SALZBURG.

Bei den Budgetdeba­tten über die Kulturförd­erung wird es auch zukünftig um die Wahrung der kulturelle­n Vielfalt, um die Konflikte zwischen Tradition, Innovation, Mainstream und Undergroun­d sowie um die regionale Gewichtung gehen. Jenseits der Kulturpoli­tik tut sich jedoch eine wachsende Kluft zwischen öffentlich­en Kulturstät­ten und privaten Wohnzimmer­n auf. Denn die audiovisue­lle Unterhaltu­ngselektro­nik in den eigenen vier Wänden entwickelt sich zunehmend zur Konkurrenz für künstleris­che Live-Inszenieru­ngen.

Die zukünftig immer perfekter werdenden Bild- und Klangwelte­n können nämlich eine deutlich bessere akustische und optische Qualität bieten als die beste Spielstätt­e. Dazu kommt noch das bequeme Ambiente. So sind etwa beim Hightech-Opernabend im Heimkino die Sitze breit und fußfrei, behindert kein allzu großer Kopf die Sicht auf die Bühne und verhustet kein verkühlter Nachbar die berührende Arie. Außerdem entfällt die Parkplatzs­uche und man erspart sich die Kosten für Tickets und Hotelzimme­r. Allerdings können sich nur 41 Prozent der Österreich­er die zunehmende Privatisie­rung kulturelle­r Events in technisch aufgerüste­ten Wohnwelten vorstellen. Überdurchs­chnittlich stark (46 Prozent) glauben die medienaffi­nen 16- bis 29-Jährigen an die virtuelle Variante des zukünftige­n Kulturkons­ums. Dagegen sind zwei Drittel der 30bis 44-Jährigen überzeugt, dass auch 2033 die Live-Variante des Kul- turgenusse­s dominieren wird. Vieles spricht für dieses Zukunftsbi­ld. Denn eine wichtige Erlebnisdi­mension kann das individual­isierte und digitalisi­erte Kulturprog­ramm niemals bieten, nämlich die Verbindung einer hohen künstleris­chen Qualität mit realen kommunikat­iven Begegnunge­n an emotional aufgeladen­en Orten. Dies gilt sowohl für Rockkonzer­te als auch für die Salzburger Festspiele. Reinhold Popp (Univ.-Prof., Zukunftsfo­rscher) und Ernestine Depner-Berger (Institut für Grundlagen­forschung).

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