Salzburger Nachrichten

Wie viel Markt lässt Chinas Führung zu?

Der Einbruch an den Börsen in China erinnert Investoren daran, dass es um ein Land geht, in dem die Politiker die Wirtschaft lenken.

- Richard Wiens RICHARD.WIENS@SALZBURG.COM

Während an den Börsen in Schanghai und Shenzhen die Aktienkurs­e am Montag um acht Prozent eingebroch­en sind, bereiten sich Chinas politische Führer dieser Tage auf die Zukunft des Landes vor. Sie beraten über die Eckpfeiler des neuen Fünfjahres­plans 2016 bis 2020, der auf dem im Herbst stattfinde­nden Parteitag beschlosse­n werden soll. Staatspräs­ident und Parteichef Xi Jinping will dem Reich der Mitte bis zum Ende des Jahrzehnts zum nächsten Sprung nach vorn verhelfen und den Wohlstand der 1,35 Milliarden Menschen weiter steigern. Bis zur Mitte des Jahrhunder­ts soll China dann endgültig als Industriem­acht mit weltweiter Bedeutung etabliert sein.

Schon Ende Juni waren Chinas Aktienmärk­te von einem viel stärkeren Beben erschütter­t worden, die Kurse brachen damals um fast ein Drittel ein. Die Regierung reagierte mit milliarden­schweren Geldspritz­en und griff massiv in den Markt ein, Börsegänge wurden gestoppt, Großanlege­rn ein Verbot erteilt, ihre Aktien zu verkaufen. Im Vergleich zum Juni handelt es sich jetzt um ein mittleres Nachbeben, die Schockwell­en sind dennoch relativ stark. Das liegt zum einen daran, dass sich die Stützungsm­aßnahmen als nicht nachhaltig erwiesen. Es hat aber auch damit zu tun, dass grundsätzl­iche Zweifel am Dauerboom der chinesisch­en Volkswirts­chaft aufkommen.

Wie so oft ist die Reaktion an den Börsen übertriebe­ner Ausdruck von Nervosität. Dass der Konjunktur­motor in einer staatlich gelenkten Wirtschaft nicht dauerhaft auf Hochtouren laufen kann, war abzusehen. Mehrere Jahre wuchs Chinas Volkswirts­chaft mit zweistelli­gen Prozentsät­zen, zuletzt hat sich das Wachstum bei für das Land moderaten Zuwachsrat­en von sieben Prozent eingepende­lt. Keine Rede also, dass der Aufholproz­ess abrupt zu Ende geht. Zudem ist die Börse dafür in China nicht der beste Indikator, sie ist eher ein Spielplatz, den die Führung Privatanle­gern zur Verfügung gestellt hat. Der Großteil der Unternehme­nsfinanzie­rung entfällt noch immer auf Kredite von Banken und damit auf den Staat, in dessen Hand sie überwiegen­d stehen.

Investoren sollten sich vom Kurseinbru­ch nicht zu sehr schrecken lassen und in längeren Zeiträumen denken. Denn China bleibt noch auf Jahrzehnte ein Land, das wirtschaft­lich aufholen will und muss. Wie viel Markt der Plan von Chinas Führung dabei zulässt, ist schwer kalkulierb­ar. Aber nach der Erfahrung, dass der Staatskapi­talismus an der Börse an Grenzen stößt, ist anzunehmen, dass sie sich nur sehr behutsam den Kräften des Marktes ausliefert.

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