Wie viel Markt lässt Chinas Führung zu?
Der Einbruch an den Börsen in China erinnert Investoren daran, dass es um ein Land geht, in dem die Politiker die Wirtschaft lenken.
Während an den Börsen in Schanghai und Shenzhen die Aktienkurse am Montag um acht Prozent eingebrochen sind, bereiten sich Chinas politische Führer dieser Tage auf die Zukunft des Landes vor. Sie beraten über die Eckpfeiler des neuen Fünfjahresplans 2016 bis 2020, der auf dem im Herbst stattfindenden Parteitag beschlossen werden soll. Staatspräsident und Parteichef Xi Jinping will dem Reich der Mitte bis zum Ende des Jahrzehnts zum nächsten Sprung nach vorn verhelfen und den Wohlstand der 1,35 Milliarden Menschen weiter steigern. Bis zur Mitte des Jahrhunderts soll China dann endgültig als Industriemacht mit weltweiter Bedeutung etabliert sein.
Schon Ende Juni waren Chinas Aktienmärkte von einem viel stärkeren Beben erschüttert worden, die Kurse brachen damals um fast ein Drittel ein. Die Regierung reagierte mit milliardenschweren Geldspritzen und griff massiv in den Markt ein, Börsegänge wurden gestoppt, Großanlegern ein Verbot erteilt, ihre Aktien zu verkaufen. Im Vergleich zum Juni handelt es sich jetzt um ein mittleres Nachbeben, die Schockwellen sind dennoch relativ stark. Das liegt zum einen daran, dass sich die Stützungsmaßnahmen als nicht nachhaltig erwiesen. Es hat aber auch damit zu tun, dass grundsätzliche Zweifel am Dauerboom der chinesischen Volkswirtschaft aufkommen.
Wie so oft ist die Reaktion an den Börsen übertriebener Ausdruck von Nervosität. Dass der Konjunkturmotor in einer staatlich gelenkten Wirtschaft nicht dauerhaft auf Hochtouren laufen kann, war abzusehen. Mehrere Jahre wuchs Chinas Volkswirtschaft mit zweistelligen Prozentsätzen, zuletzt hat sich das Wachstum bei für das Land moderaten Zuwachsraten von sieben Prozent eingependelt. Keine Rede also, dass der Aufholprozess abrupt zu Ende geht. Zudem ist die Börse dafür in China nicht der beste Indikator, sie ist eher ein Spielplatz, den die Führung Privatanlegern zur Verfügung gestellt hat. Der Großteil der Unternehmensfinanzierung entfällt noch immer auf Kredite von Banken und damit auf den Staat, in dessen Hand sie überwiegend stehen.
Investoren sollten sich vom Kurseinbruch nicht zu sehr schrecken lassen und in längeren Zeiträumen denken. Denn China bleibt noch auf Jahrzehnte ein Land, das wirtschaftlich aufholen will und muss. Wie viel Markt der Plan von Chinas Führung dabei zulässt, ist schwer kalkulierbar. Aber nach der Erfahrung, dass der Staatskapitalismus an der Börse an Grenzen stößt, ist anzunehmen, dass sie sich nur sehr behutsam den Kräften des Marktes ausliefert.