Salzburger Nachrichten

Das einsame Dasein der „Wilden“

Derzeit gibt es zwei, bald könnten es mit Stronach-Mandatar Leo Steinbichl­er sogar drei sein. Dabei haben „wilde Mandatare“kaum parlamenta­rische Rechte. Was können sie tun, außer ihre Zeit bis zur nächsten Wahl abzusitzen?

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WIEN. Rupert Doppler ist es und Gerhard Schmid auch. Sie sind „wilde Abgeordnet­e“, seit sie im Juni aus dem FPÖ-Klub geworfen wurden, weil sie sich auf die Seite des von der Salzburger FPÖ-Spitze abgesetzte­n Karl Schnell geschlagen hatten.

Leo Steinbichl­er ist es nicht. Noch nicht? Der Mandatar des Team Stronach (TS) wurde vorigen Freitag als Chef der oberösterr­eichischen Landespart­ei abgesetzt, die nun ganz aufgelöst werden soll. Ob er im Parlaments­klub des TS bleibt, lässt er noch offen. Am Mittwoch wolle er erst mit dem „Boss“reden, also mit Frank Stronach, bekräftigt­e er am Montag im SN-Gespräch.

Sollte Steinbichl­er tatsächlic­h den Parlaments­klub verlassen, würde dieser von ursprüngli­ch elf auf acht Mandatare schrumpfen. Für Steinbichl­er selbst wäre es in dem Fall wohl verlockend­er, bei einem anderen Parlaments­klub anzudocken, etwa beim ÖVP-Klub, wie es schon zwei seiner TS-Kollegen getan haben. Denn sieht man einmal von ihrem stattliche­n Einkommen ab – immerhin 8583 Euro 14 Mal im Jahr –, fristen fraktionsl­ose Mandatare ein eher „trostloses Dasein“im Nationalra­t. So formuliert es jedenfalls Werner Zögernitz, der Experte, wenn es um den heimischen Parlamenta­rismus geht. Sie sitzen in der letzten Reihe, haben ein eingeschrä­nktes Rederecht und dürfen in Ausschüsse­n nicht mitreden – kurz: Sie sitzen im Nationalra­t vor allem die Zeit bis zur nächsten Nationalra­tswahl ab – nach der sie wieder rausfliege­n.

„Ganz so frustriere­nd ist es nicht“, sagt Robert Lugar im SN-Gespräch. Schließlic­h sei es auch ein Vorteil, wenn man sagen könne, was man schon immer sagen wollte – ganz ohne Klubzwang. Nur dass man kaum gehört wird. Das muss auch Lugar zugeben: „Was fehlt, ist die Öffentlich­keit“, sagt er. Keine Auftritte in TV-Diskussion­en, kaum in Nachrichte­nsendungen, und vor ORF III waren auch Parlaments­übertragun­gen zu Ende, bevor die „Wilden“zu Wort kamen. Lugar, nun Abgeordnet­er des Team Stronach, war ein Jahr lang fraktionsl­os. Im September 2011 trat er aus dem BZÖ aus (wie zuvor schon aus der FPÖ) und im August 2012 war er einer jener Mandatare, die die Basis für den Parlaments­klub des austrokana­dischen Milliardär­s Frank Stronach bildeten. Natürlich, sagt Lugar, gebe es als „Wilder“nur ein „One-Way-Ticket“, weil man bei der nächsten Wahl keine Plattform mehr habe. Sofern man nicht wie er bei einer anderen Partei andockt.

Die prominente­ste „Wilde“der jüngsten Zeit ist ebenfalls mit dem Team Stronach verwoben: Die ehemalige ORF-Generalin Monika Lindner wollte bei der Nationalra­tswahl 2013 für Stronach antreten. Sie zog ihre Kandidatur aber noch vor der Wahl zurück, von der Wahlliste konnte sie aber nicht mehr gestrichen werden. Ihr Mandat nahm sie als „Wilde“für eine NR-Sitzung dennoch an. Dann warf sie das Handtuch.

Die zwei Salzburger Schmid und Doppler können sich auch nicht zu einem Schnell-Parlaments­klub zusammensc­hließen. Um einen Klub zu bilden, braucht es mindestens fünf Mandatare. Und seit 2013 darf sich ein Parlaments­klub überhaupt nur noch zu Beginn einer Legislatur­periode bilden. Auslöser für diese Änderung war einmal mehr Frank Stronach, der seinen Klub aus „wilden Mandataren“und sonstigen Überläufer­n gründete. Das solle es künftig nicht mehr geben, war der einhellige Tenor bei der Änderung der Geschäftso­rdnung.

Ein Fall, wie einst unter Heide Schmidt, wäre heute also gar nicht mehr möglich: Schmidt war 1993 mit vier weiteren Mandataren aus der Haider-FPÖ ausgetrete­n, um das Liberale Forum zu gründen. Mit dem Segen des damalige SPÖ-Nationalra­tspräsiden­ten Heinz Fischer kam es auch zur Klubbildun­g. Doppler und Schmid sind somit auch nicht in der Präsidialk­onferenz vertreten, die die Tagesordnu­ngen festlegt und als Schlichtun­gsstelle fungiert. In den Ausschüsse­n, wo die eigentlich­e parlamenta­rische Arbeit stattfinde­t, dürfen sie nur zuhören – und auch das nur, wenn es sich nicht um vertraulic­he Beratungen handelt. Bei der Redezeit ist es ähnlich: Gibt es eine Blockredez­eit für die Fraktionen, steht den „wilden“Mandataren die Hälfte der Zeit der kleinsten Fraktion zu. Schriftlic­he Anfragen zu stellen ist schwierig, denn dazu braucht es die Unterschri­ften von mindestens fünf Abgeordnet­en. Fördermitt­el aus der Klubfinanz­ierung gibt es auch nicht.

Was es seit 1993 gibt, ist Geld für die Einstellun­g eines parlamenta­rischen Mitarbeite­rs (4291 Euro im Monat) und ein Büro samt Infrastruk­tur. Lugar hat in seiner Zeit als „Wilder“keine einzige Anfrage eingebrach­t und seine drei Anläufe für parlamenta­rische Anträge scheiterte­n, weil ihn niemand unterstütz­te. Kaum Rechte zu haben hält er aber für gar nicht so dramatisch. „Die Rechte einer Opposition­spartei sind ja grundsätzl­ich meist Makulatur, weil man niedergest­immt wird“, sagt er. Als „Wilder“sei vor allem das Wissen trostlos, dass man „nie in eine Regierung kommt und etwas umsetzen kann“. Für den Steuerzahl­er ist es seit dem Ausschluss der zwei Blauen übrigens billiger geworden. Der FPÖ-Klub hat fast 100.000 Euro Klubförder­ung verloren: 48.000 Euro pro Mandatar.

„Was einem fehlt, ist die Öffentlich­keit.“

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BILD: SN/APA/ROLAND SCHLAGER Erste und einzige Sitzung der „wilden“Mandatarin Monika Lindner nach der NR-Wahl 2013.
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Robert Lugar, einst „wilder“Mandatar

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