Salzburger Nachrichten

Türkei eröffnet einen Zwei-Fronten-Krieg

Ankara greift Islamisten und Kurden gleichzeit­ig an. Mit den USA gibt es eine eigene Vereinbaru­ng.

- Spa, strick

Die USA sehen in ihrer Vereinbaru­ng mit der türkischen Regierung einen strategisc­hen Durchbruch im Kampf gegen den „Islamische­n Staat“. So jedenfalls verkaufen namentlich nicht in Erscheinun­g tretende „hohe Mitarbeite­r“des sicherheit­spolitisch­en Teams des Präsidente­n den Plan in den US-Medien. „Das Ziel besteht darin, eine IS-freie Zone zu schaffen und mehr Sicherheit und Stabilität entlang der türkischen Grenze mit Syrien herzustell­en“, zitiert die „New York Times“einen der vier Regierungs­vertreter, die sich hinter den Kulissen zu dem Abkommen äußerten. Ausdrückli­ch dementiert Washington, es habe der türkischen Forderung nach einer Flugverbot­szone im Norden Syriens nachgegebe­n. Es gehe vielmehr um türkische Unterstütz­ung für verbündete Kräfte auf dem Boden, die den „Islamische­n Staat“bekämpften. Wer diese verbündete­n Kräfte sein sollen, die in Syrien den Terrormili­zen entgegentr­eten sollen, gehört zu den „Details“, die noch nicht geklärt sind. Die Sicherheit­szone soll rund 100 Kilometer lang sein und könnte viele syrische Flücht- linge aufnehmen, die derzeit in der Türkei leben. Die USA wiederum wollen in erster Linie die Nachschubw­ege des IS kappen. Washington betonte am Montag das Recht der Türkei, sich gegen Terrororga­nisationen, darunter auch die kurdische PKK, zur Wehr zu setzen.

NATO-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g warnte Ankara allerdings davor, mit weiteren Luftangrif­fen gegen die PKK den Friedenspr­ozess mit den Kurden endgültig zu stoppen. Türkische Kampfjets haben seit Sonntag die Stellungen der PKK im Nordirak bombardier­t. Zuvor waren bei einem Autobomben­anschlag in der Provinz Diyarbakir zwei türkische Soldaten getötet worden. Die Türkei macht die PKK für den Anschlag verantwort­lich. Die Militäroff­ensive gegen die PKK werde so lange fortgesetz­t, bis diese ihre Waffen niederlege, sagte der türkische Regierungs­chef Ahmet Davutoglu am Montagaben­d.

Begleitet wurden die türkischen Luftangrif­fe von einer Festnahmew­elle in der Türkei: Laut Nachrichte­nagentur Anadolu wurden seit Freitag mehr als 850 Personen festgenomm­en, darunter neben mutmaßlich­en Mitglieder­n von IS und PKK auch linksextre­me Aktivisten. Die Behörden gingen zudem massiv gegen regierungs­kritische Demonstran­ten vor.

Türkische Panzer sollen weiters Stellungen der syrischen Kurdenmili­z YPG beschossen haben. Die in Großbritan­nien ansässige Syrische Beobachtun­gsstelle für Menschenre­chte hat die Angriffe bestätigt. Es handle sich offenbar um den bisher schwersten türkischen Angriff auf kurdisches Gebiet seit Beginn des Syrien-Konflikts.

Die Regierung in Ankara stuft sowohl IS als auch PKK als „Terrororga­nisationen“ein. Der Türkei wird seit Langem vorgeworfe­n, dem Vormarsch der IS-Terroriste­n nicht nur tatenlos zuzusehen, sondern ihn zu unterstütz­en. Aus Sicht Ankaras ist die Vorstellun­g eines eigenen Kurdenstaa­tes schlimmer als ein Vorrücken der Islamisten, die man zudem als Waffe gegen das Regime von Damaskus zu instrument­alisieren hofft. Mit dieser Sicht ist die Türkei innerhalb der NATO jedoch isoliert, zumal die Kurden bislang die Einzigen sind, die dem IS bisher Paroli bieten konnten. Am Dienstag sollte der NATO-Rat auf Ersuchen der Türkei über die Lage beraten.

Am Sonntag sprach der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan mit seinem russischen Kollegen Wladimir Putin über die Lage.

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