Salzburger Nachrichten

Timing ist alles, Mister Cameron

Spätestens 2017 wollte der britische Premier über den Verbleib in der EU abstimmen lassen. Das dürfte aber zu spät sein.

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Juni 2016 also. Dann soll das Referendum über den Verbleib Großbritan­niens in der Europäisch­en Union stattfinde­n. Bestätigt ist der Termin noch nicht, das genaue Datum wird beim Parteitag von David Camerons Torys im Oktober verkündet. Der Premier dürfte laut Insidern die Frist aber nicht ausreizen, die er selbst gesetzt hat: Spätestens 2017 sollte das Referendum demnach stattfinde­n.

Dahinter steckt Kalkül. Von einer Abstimmung schon im kommenden Jahr erhofft sich Cameron Vorteile bei den Verhandlun­gen. Es wird um strittige Themen gehen, etwa Sozialleis­tungen für Menschen aus anderen EU-Ländern und die Eindämmung von Zuwanderun­g innerhalb der Union. Eingriffe in das Recht auf Personenfr­eizügigkei­t, die ein Grundpfeil­er der Union und damit für die Kommission de facto nicht verhandelb­ar sind.

Europa wird den Briten trotzdem entgegenko­mmen. Eben hat man noch den Grexit ver- hindert, da will man nicht gleich den Brexit riskieren. Cameron wird seinen Verhandlun­gspartnern vor Augen halten, was nicht alles dafür getan wurde, um Griechenla­nd in der Eurozone zu halten. Da darf es wohl auch nicht an Entgegenko­mmen mangeln, wenn man Großbritan­nien in der EU halten will.

Im Fahrwasser der Griechenla­nd-Krise kann Cameron die aktuelle Stimmung nutzen: Wir verhandeln bis zuletzt und finden Kompromiss­e, statt das Ausscheide­n eines Mitglieds zu riskieren. Vor allem will man in der EU Unsicherhe­it vermeiden. Die hätte ein Grexit gebracht – und die würde ein Brexit noch stärker bringen. Beim britischen Referendum geht es nicht nur um die Währung, sondern um die gesamte Union. Ein Austritt hätte Auswirkung­en auf den europäisch­en Binnenmark­t und auf Europas weltwirtsc­haftliches und weltpoliti­sches Gewicht, an dem die Briten einen ungleich höheren Beitrag haben als die Griechen.

Je früher, desto besser gilt für das britische Referendum aber nicht nur, um von den Griechenla­nd-Verhandlun­gen nutznießen zu können. Je näher Cameron mit dem Referendum an 2017 rückt, desto näher kommt er an ein innenpolit­isch brisantes Jahr für zwei andere Mitgliedss­taaten. In Deutschlan­d stehen Bundestags­wahlen an, in Frankreich Präsidents­chaftswahl­en. Von keinem der beiden Länder kann sich Cameron große Zugeständn­isse erwarten, wenn sie selbst im Wahlkampf stehen.

Nicht einmal ein Jahr dürfte Europa also bleiben, bis die Kampagnen in Großbritan­nien beginnen. Ein Jahr, in dem vor allem in der Migrations­politik etwas passieren muss. Bekommt die EU ihr Asylwesen und ihren Umgang mit Flüchtling­en nicht in den Griff, haben Populisten freie Bahn. Nicht nur in London, sondern auch im Pariser und Berliner Wahlkampf.

STEPHANIE.PACK@SALZBURG.COM

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Stephanie Pack

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