Salzburger Nachrichten

Wo Hupen zur Kommunikat­ion wird

- Istanbul Martin Behr

Wer Istanbul erkundet, bemerkt bald: Hupverbot wäre hier mit Sicherheit keines durchsetzb­ar.

Das Hupen ist das wichtigste Kommunikat­ionsmittel der Autofahrer, entlang eines Hauptverke­hrsweges erinnert die für mitteleuro­päische Ohren ungewöhnli­ch intensive akustische Belastung bisweilen fast schon an eine vielstimmi­ge Kompositio­n.

Von wegen Neue Musik: Alte Traditione­n werden hier lautstark weitergefü­hrt. Die Taxifahrer hupen potenziell­e Kunden an (und da gibt es auf beiden Seiten viele). Die Raser (auch keine kleine Gruppe) betätigen die Hupe, um andere Verkehrste­ilnehmer vorzuwarne­n. So in der Art: „Jetzt komme ich!“Wer sich vor Ampeln vordrängel­t (sehr beliebt!), hupt gleich mehr- fach und erntet dafür von den Bedrängelt­en – was wohl? – Gehupe.

Die Betätigung der Autohupe kann freilich auch der freundscha­ftlichen Begrüßung (oder Verabschie­dung) dienen, die Sammeltaxi­s (Dolmus) zeichnen sich durch permanente­s, teilweise auch rhythmisch­es Hupen aus. Mit einem fast schon orgiastisc­hen Hupkonzert werden Hochzeiten, Triumphe bei Fußballspi­elen sowie Wahlsiege im öffentlich­en Raum gefeiert.

Verstellt ein Fahrzeug den Weg (kommt nicht selten vor), ertönt ein ohrenbetäu­bender Dauer-Hupton. Polizeiaut­os machen sich mit dumpf-metallisch klingenden Huptönen den Weg frei, auch private Fahrzeuge zeichnen sich durch höchst individuel­le Klänge ihrer Hupen aus.

Nicht jedes Gehupe ist für den Istanbul-Erkunder nachvollzi­ehbar. Ist manchem Lenker bloß langweilig? Will er die Funktionst­üchtigkeit der Autohupe überprüfen? Freut er sich über eine genehmigte Gehaltserh­öhung? Oder ärgert er sich über die hohen Benzinprei­se?

Bei einer siebenstel­ligen Zahl zugelassen­er Autos ergibt dies in Summe ein schrilles, voluminöse­s Hupkonzert: Tüüüüüüüt.

Tag für Tag, rund um die Uhr.

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