Wo Hupen zur Kommunikation wird
Wer Istanbul erkundet, bemerkt bald: Hupverbot wäre hier mit Sicherheit keines durchsetzbar.
Das Hupen ist das wichtigste Kommunikationsmittel der Autofahrer, entlang eines Hauptverkehrsweges erinnert die für mitteleuropäische Ohren ungewöhnlich intensive akustische Belastung bisweilen fast schon an eine vielstimmige Komposition.
Von wegen Neue Musik: Alte Traditionen werden hier lautstark weitergeführt. Die Taxifahrer hupen potenzielle Kunden an (und da gibt es auf beiden Seiten viele). Die Raser (auch keine kleine Gruppe) betätigen die Hupe, um andere Verkehrsteilnehmer vorzuwarnen. So in der Art: „Jetzt komme ich!“Wer sich vor Ampeln vordrängelt (sehr beliebt!), hupt gleich mehr- fach und erntet dafür von den Bedrängelten – was wohl? – Gehupe.
Die Betätigung der Autohupe kann freilich auch der freundschaftlichen Begrüßung (oder Verabschiedung) dienen, die Sammeltaxis (Dolmus) zeichnen sich durch permanentes, teilweise auch rhythmisches Hupen aus. Mit einem fast schon orgiastischen Hupkonzert werden Hochzeiten, Triumphe bei Fußballspielen sowie Wahlsiege im öffentlichen Raum gefeiert.
Verstellt ein Fahrzeug den Weg (kommt nicht selten vor), ertönt ein ohrenbetäubender Dauer-Hupton. Polizeiautos machen sich mit dumpf-metallisch klingenden Huptönen den Weg frei, auch private Fahrzeuge zeichnen sich durch höchst individuelle Klänge ihrer Hupen aus.
Nicht jedes Gehupe ist für den Istanbul-Erkunder nachvollziehbar. Ist manchem Lenker bloß langweilig? Will er die Funktionstüchtigkeit der Autohupe überprüfen? Freut er sich über eine genehmigte Gehaltserhöhung? Oder ärgert er sich über die hohen Benzinpreise?
Bei einer siebenstelligen Zahl zugelassener Autos ergibt dies in Summe ein schrilles, voluminöses Hupkonzert: Tüüüüüüüt.
Tag für Tag, rund um die Uhr.