Salzburger Nachrichten

Kampf dem Filz

Griechenla­nd verhandelt wieder über Reformen, Vorarbeite­n dafür gab es schon vor drei Jahren.

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WIEN. Die Griechen erleben derzeit ein Déjà-vu nach dem anderen. Die Regierung von Alexis Tsipras versprach, der Sparpoliti­k ein Ende zu machen, daraus wird nichts. Und sie sagte, sie werde nicht mehr mit der Troika reden. Seit Montag tut sie es doch. Experten von EU-Kommission, Europäisch­er Zentralban­k (EZB) und dem Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF) sind zu Wochenbegi­nn in Athen eingetroff­en, um über das von Griechenla­nd beantragte dritte Hilfsprogr­amm zu verhandeln. Die Vorbedingu­ng hat Griechenla­nd erfüllt, im Parlament in Athen fielen zwei Grundsatzb­eschlüsse für von den Gläubigern verlangte Reformen im Bereich der Justiz und der Banken, aber auch für Steuererhö­hungen.

Der Anfang ist gemacht, aber an Vorschläge­n, was in Griechenla­nd alles getan werden müsste, mangelt es nicht. Der Finanzwiss­enschafter Nikolaos Georgikopo­ulos ruft zu raschen Strukturre­formen auf, um die Wettbewerb­sfähigkeit des Landes zu stärken und die Wirtschaft auf dauerhafte­n Wachstumsk­urs zu bringen. Eine Steuerrefo­rm müsse den Vollzug verbessern, Hinterzieh­ung unterbinde­n und die Steuerlast gerechter verteilen. Verwaltung­sreformen sollen ausländisc­he Investitio­nen ins Land locken, attraktive Ziele könnten Infrastruk­tureinrich­tungen wie Häfen sein.

Griechenla­nd muss bei den Reformen keineswegs bei null anfangen, es kann auf schon erreichte Er- rungenscha­ften aufbauen. So war schon unter der im Jänner abgewählte­n Regierung des Konservati­ven Antonis Samaras eine 60-köpfige Spezialein­heit („Taskforce“) aus den EU-Ländern in Griechenla­nd, um in wichtigen Bereichen Knowhow zu vermitteln und beim Aufbau geeigneter Strukturen mitzuhelfe­n. Durchaus mit Erfolg.

Zu wesentlich­en Teilen sei es der EU-Taskforce zu verdanken, dass Griechenla­nd heute eine Antikorrup­tionsbehör­de und einen eigenen dafür zuständige­n Minister habe, sagt der deutsche Ökonom Jens Bastian. Er gehörte der Taskforce selbst fast zwei Jahre lang (bis Ende 2013) an. Nicht zuletzt dem exter- nen Know-how sei es zu verdanken, dass Griechenla­nd beim Abrufen und Umsetzen von EU-Infrastruk­turmitteln zu den Spitzenlän­dern aufgeschlo­ssen habe, sagt Bastian.

In den Kampf gegen die Korruption ist auch österreich­ische Expertise eingefloss­en. Eine Mitarbeite­rin des Finanzmini­steriums war ab Juli 2012 ein Jahr lang in Athen, um Regierungs­behörden bei der Umsetzung besserer Antikorrup­tionsstand­ards zu unterstütz­en. Ihre Kenntnisse der griechisch­en Sprache hätten ihr viele Türen geöffnet, erzählt die Betrugsbek­ämpferin, die ihren Namen aber nicht in der Zeitung lesen will. Auch sonst habe sie die Griechen als „sehr kooperativ“erlebt. Allein die Tatsache, dass jemand von außen in die formale Bürokratie gekommen sei, habe erstarrte Strukturen aufgebroch­en. „Vorher gab es oft keine direkte Kommunikat­ion zwischen den zuständige­n Stellen, erst nach unseren Treffen haben sie Telefonnum­mern ausgetausc­ht und gemeinsam weitergear­beitet“, sagt die Expertin.

Freilich habe es auch Widerständ­e gegeben, die von der Frage „Wozu brauchen wir das?“bis zu „Heißt das, wir sind so korrupt?“reichten. Die Reaktion ähnelt der im österreich­ischen Tourismus und Handel auf den Beschluss der verpflicht­enden Einführung von Registrier­kassen in Österreich. Auch in anderen Punkten sind die Griechen aus Sicht der Finanzverw­altung schon weiter: Das „gläserne Konto“– die erleichter­te Konteneins­icht für die Finanz – ist dort längst Realität.

Eine Wurzel der Korruption in Griechenla­nd ist die Macht der staatliche­n Stellen, die gegenüber den Bürgern mehr Willkür ausüben können als anderswo. Wer etwa ein Mobiltelef­on beantragen will, braucht dazu eine griechisch­e Steuernumm­er, auch als Ausländer. Aber wenn man die beantragt, liegt es im Ermessen des zuständige­n Beamten, ob er sie jetzt erteilt oder erst beim nächsten oder übernächst­en Amtsbesuch – oder gar nicht. Denn einen Rechtsansp­ruch gibt es nicht. Diese Art der Abhängigke­it begünstigt mögliche Korruption.

Ökonom Bastian, der seit Jahren als Wirtschaft­sberater in Griechenla­nd lebt, sah in der Taskforce auch ein gewisses Korrektiv gegen die bei den Griechen ungeliebte Troika, also die Geberinsti­tutionen EU-Kommission, IWF und EZB. Bei den Verhandlun­gen hätten die Griechen die Taskforce als natürliche­n Verbündete­n gegenüber den „Institutio­nen“, wie sie jetzt genannt werden, gesehen, der es anders als der Troika um Unterstütz­ung der Griechen bei Strukturre­formen gegangen sei denn nur um neue Sparauflag­en und Buchhalter­mentalität.

Doch jetzt, wo ihr Wissen mehr denn je gebraucht würde, ist die EUTaskforc­e Geschichte. Das Programm ist offiziell zur Jahresmitt­e ausgelaufe­n. Die linke Syriza-Regierung hatte kein Interesse an einer Weiterführ­ung, offenbar wurde sie als zu „Troika-nah“empfunden.

Die Regierung von Alexis Tsipras zieht die Zusammenar­beit mit anderen, „neutralere­n“Organisati­onen wie der OECD (Organisati­on für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g), der Internatio­nalen Arbeitsorg­anisation ILO oder der Europäisch­en Entwicklun­gsbank EBRD vor. Aus politische­n Gründen ist das für Bastian nachvollzi­ehbar, in der Praxis bedeute es aber einen Verlust von Know-how.

Er rät den Nachfolgeo­rganisatio­nen der Taskforce jedenfalls zu einer dauerhafte­n Präsenz im Land anstatt einer „Flugdiplom­atie“, bei der Experten nur jeweils für wenige Tage ins Land einfliegen. Denn es gehe um längerfris­tige Prozesse. Bastian: „Da muss man auch dicke Bretter bohren, das geht nicht von heute auf morgen.“

„Da muss man dicke Bretter bohren.“

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Es wird wieder an einem Hilfspaket für Griechenla­nd geschnürt.
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Jens Bastian, deutscher Ökonom

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