Salzburger Nachrichten

Seesaiblin­g hat weniger Quecksilbe­r

Seit 1997 untersuche­n österreich­ische und kanadische Forscher, wie sich arktische Gewässer im Klimawande­l verändern. Die Langzeitda­ten sind zum ersten Mal überrasche­nd.

- Günter Köck, Spezialist für Fischbiolo­gie und Gewässerök­ologie.

„Das Wetter ist schön, es hat 14 Grad plus und die Seen sind alle eisfrei.“Günter Köck freut sich, als er diese Zeilen per E-Mail aus Resolute Bay schickt, denn das ist alles nicht selbstvers­tändlich. Seit 1997 untersuche­n österreich­ische und kanadische Forscher im Projekt „High-Arctic“jedes Jahr die Einflüsse von Klimaverän­derungen auf Seesaiblin­ge aus Seen in der kanadische­n Arktis. Günter Köck, Biologe am Institut für Interdiszi­plinäre Gebirgsfor­schung der Österreich­ischen Akademie der Wissenscha­ften, ist als Leiter des Projekts seit Beginn dabei. Das Forschungs­gebiet Resolute Bay an der Südküste der Cornwallis­Insel liegt in der Hocharktis. Basislager ist die Forschungs­station des kanadische­n „Polar Continenta­l Shelf Projects“(PCSP) in Resolute Bay, etwa 1700 Kilometer vom geografisc­hen Nordpol entfernt.

Der Seesaiblin­g ist die einzige Fischart, die in extrem kalten Gebieten überleben kann. Auf Erwärmung reagiert er empfindlic­h. Er ist somit ein Bioindikat­or für globale Klimaverän­derungen. Die Forscher untersuche­n die Einflüsse der Klimaerwär­mung auf die Anreicheru­ng von Quecksilbe­r im Ökosystem der arktischen Seen. Quecksilbe­r wird über Windströmu­ngen in die Arktis oder ins Hochgebirg­e getragen und gelangt über die Schneeund Eisschmelz­e in die Gewässer. In der Luftströmu­ng ist metallisch­es Quecksilbe­r unterwegs, wie man es in flüssiger Form aus dem Fieberther­mometer kennt. Es lagert sich in Feuchtgebi­eten ab. Bakterien bauen es aufgrund der Erwärmung in das noch weitaus giftigere Methylquec­ksilber um. Dieses reichert sich im Körperfett, im Gehirn und in den Nervenzell­en an. Es kann langfristi­g bei Tier und Mensch Schaden anrichten. Beim Seesaiblin­g zeigte sich jahrelang, dass er im Sommer vermehrt Quecksilbe­r anreichert­e. Wenn es wärmer wird, braucht er mehr Sauerstoff und pumpt mehr Wasser über die Kiemen. Damit nahm er die Giftstoffe auf. In den Seen der kanadische­n Hocharktis aber zeichnet sich derzeit eine positive Trendwende ab, wie Günter Köck berichtet: „Die Auswertung der Langzeitda­ten zeigt nun erstmals deutlich, dass in den meisten Seen die Quecksilbe­rkonzentra­tionen in den Fischen seit etwa 2005 kontinuier­lich abneh- men. Dabei sinken die Konzentrat­ionen in den Fischen erheblich schneller als jene in der Atmosphäre. Das ist überrasche­nd.“Die Forscher wollen das weiter untersuche­n. Es könnte sein, dass die Fische ein anderes Nahrungssp­ektrum haben, sie wegen veränderte­r Temperatur­en mehr Quecksilbe­r wieder ausscheide­n oder sich die Wasserchem­ie verändert hat.

Günter Köck und seine Kollegen untersuche­n deshalb heuer vor allem die Veränderun­gen der Temperatur­schichtung und der Wasserzirk­ulation der Seen. Sensoren messen dafür die Temperatur und den Sauerstoff­gehalt von der jeweiligen Seeoberflä­che bis zum Boden. „Waren die Wassermass­en früher recht stabil geschichte­t, so gibt es nun deutliche Anzeichen einer klimabedin­gten Durchmisch­ung zwei Mal im Jahr“, sagt Köck. Das hat Auswirkung­en auf die Fische und den See.

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BILD: SN/ÖAW

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