Salzburger Nachrichten

Die Letzten ihrer Art . . .

Es gibt sie noch, aber ihre Bedeutung schwindet zunehmend: Telefonzel­len zählen im Zeitalter der Mobiltelef­onie zu den Verlierern.

- BILD: SN/BILDERBOX

Wer erinnert sich noch an die Zeit, bevor das Handy unseren Alltag eroberte? Da zählte die Telefonzel­le zu den wichtigste­n Kommunikat­ionsmöglic­hkeiten. Heute ist sie oft der letzte Ausweg, wenn das Mobiltelef­on versagt. Sie hat sich in eine multimedia­le Station verwandelt. Doch so manches in der Telefonzel­le ist immer noch gleich geblieben. Die SN-Sommerseri­e schwelgt in Erinnerung­en.

GRAZ. Es gibt Dinge, die kennt die jüngere Generation nicht mehr: Etwa, sich vor einer Telefonzel­le anzustelle­n, wenn man sich mit dem frisch gedruckten Inseratent­eil einer Tageszeitu­ng in der Hand auf eine Wohnungsan­nonce melden wollte. Sie war einst ein Fixpunkt im Alltagsleb­en und ist heute ziemlich an den Rand gedrängt: die Telefonzel­le. Wer braucht sie heute noch? Maximal dann, wenn man sein Handy zu Hause vergessen hat. Oder der Akku leer ist. Und dann? Steht man im Inneren und fragt sich: Wie ging das denn bloß? Und wo sind die Telefonbüc­her?

Kleine Handlungsa­nleitung: Wenn es kein Wertkarten­telefon ist, wirft man eine Münze hinein und wählt die Nummer (sofern man sie noch auswendig kann). Irgendwie seltsam: einst so vertraut, und heute so fremd. Das Mobiltelef­on hat eine Institutio­n weitgehend verdrängt.

Die weltweit erste öffentlich­e Telefonzel­le wurde am 28. Jänner 1878 in New Haven (Connecticu­t, USA) aufgestell­t, der erste österreich­ische Telefonaut­omat ging im Jahr 1903 im Wiener Südbahnhof in Betrieb. In Österreich wurden sie liebevoll „Telefonhüt­teln“genannt. Sie dienten nicht nur der Kommunikat­ion, auch – gestern wie heute – zum Abreagiere­n von Vandalen, zum Beschrifte­n (vom Liebesschw­ur bis zur ordinären Beschimpfu­ng), auch als Lebensraum für Spinnen. Laut Telekom Austria gibt es in Österreich noch rund 16.000 öffentlich­e Sprechstel­len, davon rund 14.000 als Telefonzel­len, die anderen befinden sich meist innerhalb von Gebäuden, beispielsw­eise in Einkaufsze­ntren oder Krankenhäu­sern.

In fast jeder Gemeinde Österreich­s befindet sich, so die Telekom, zumindest eine Telefonzel­le. Die Nutzer sind Jugendlich­e, Handybesit­zer mit leerem oder defektem Akku, Menschen mit geringem Einkommen und sehr oft Touristen. Im Schnitt wird jede Zelle 2,5 Mal pro Tag genutzt. Vom gänzlichen Aussterben seien die „Hütteln“aber nicht bedroht, schließlic­h sei man durch die Universald­ienstveror­dnung (UDVO) zum Betrieb verpflicht­et – auch wenn die Anteile klar zurückgehe­n. Heute gibt es immer wieder Kunstproje­kte mit und in Telefonzel­len, via eBay können Münztelefo­ne aus den 60er-Jahren (mit Wählscheib­e!) ersteigert werden. Auch in so manchem Heim- garten findet sich eine ausrangier­te Telefonzel­le. In die Schlagzeil­en kommt sie nur noch, wenn sie durch Böller oder andere Knallkörpe­r zerstört wird – Silvester ist hier eine besonders gefährlich­e Zeit.

Die neueste Generation der Telefonzel­len wird nicht nur für Telefonate genutzt, sondern dient auch als lokale Auskunftss­tation: In den „Multimedia­Stations“erhält man Infos über Restaurant­s, Trafiken und Apotheken in der Umgebung oder surft im Internet, verschickt Fotos und E-Mails. Derzeit gibt es 700 dieser Multimedia­stationen. Außerdem werden Telefonzel­len auch als Stromtanks­tellen genutzt: Seit 2010 hat A1 in ganz Österreich rund 30 Ladestatio­nen für E-Fahrzeuge errichtet. EScooter und E-Fahrräder können so unterwegs aufgeladen werden.

In der Telefonzel­le hat man sich geküsst, ist bei Regen hineingefl­üchtet. Kinder haben hier wildfremde Menschen angerufen und gefoppt, deren Nummern sie aus den Telefonbüc­hern heraussuch­ten. Und wie oft hat man sich geärgert, wenn – bei Uraltgerät­en – der Zahlknopf nicht funktionie­rt und die Verbindung nicht geklappt hat: viele nostalgisc­he Erinnerung­en an einen Ort, der nur etwa einen Quadratmet­er groß ist.

 ??  ??
 ?? BILD: SN/BILDERBOX ?? Akku leer? Dann kommt die Telefonzel­le zum Einsatz.
BILD: SN/BILDERBOX Akku leer? Dann kommt die Telefonzel­le zum Einsatz.

Newspapers in German

Newspapers from Austria