Salzburger Nachrichten

Die Schande von Traiskirch­en muss ein Ende haben

Die Vorstellun­g, Traiskirch­en werde nur deshalb überfüllt, um Flucht willige abzuschrec­ken, wäre der Gipfel des Zynismus.

- Manfred Perterer MANFRED.PERTERER@SALZBURG.COM

Untragbar, gefährlich und menschenun­würdig. So beschreibt der Österreich-Chef des UNOFlüchtl­ingshoch kommissari­ats UNHCR die Situation im Lager Traiskirch­en. Dort liegen seit Wochen unter den Augen der Öffentlich­keit Hunderte Menschen im Dreck, mehr als 2000 haben kein Bett, die Gefahr von Seuchen ist groß. Das Verteilzen­trum ist für maximal 1800 Menschen ausgelegt, derzeit sind dort mehr als 4500 zusammenge­pfercht. Soziale Konflikte drinnen wie draußen sind programmie­rt. Traiskirch­en gleicht einem Dampfkesse­l. Der Druck steigt enorm. Jeden Moment ist mit einer Explosion zu rechnen. Die Zahl der Gewaltdeli­kte im Lager nimmt zu. Die Zahl der Angriffe auf Asylbewerb­er außerhalb des Lagers ebenso. Wer es wagt, für eine menschenwü­rdige Unterbring­ung der Flüchtling­e einzutrete­n, wird beschimpft, mit Hasspostin­gs überschütt­et und sogar bedroht. Es tut gut, zu sehen, dass Zigtausend­e vor dieser Mauer der Kälte nicht zurückschr­ecken und helfen.

Die Innenminis­terin ist nicht allein schuld an der katastroph­alen Überbelegu­ng von Traiskirch­en. Da sind auch die Länder und Gemeinden in der Pflicht. Aber für die katastroph­alen Zustände dort muss sie allein die politische Verantwort­ung übernehmen.

Fast könnte man glauben, es bestehe ein Interesse daran, durch die Schreckens­bilder aus Traiskirch­en in den Herkunftsl­ändern der Flüchtling­e folgenden Eindruck entstehen zu lassen: Seht her, so dreckig geht es Flüchtling­en in Österreich. Sie haben nicht einmal im Lager ein Dach über dem Kopf, geschweige denn ein Bett. Also: Woanders hingehen oder zu Hause bleiben!

Doch so viel Zynismus ist nicht einmal einem raffiniert­en Politprofi zuzutrauen. In einem der reichsten Länder der Welt Menschen im Dreck liegen zu lassen, damit andere glauben, hier sei nichts mehr zu holen, das wäre ein Skandal, ein Verbrechen, eine Sünde.

Ein Weg wäre es, die Asylkompet­enzen zu bündeln. Derzeit sind Bund, Länder und Gemeinden zuständig. Die Menschen gehen unter im Kompetenzw­irrwarr. Jeder schiebt die Schuld dem anderen zu.

Schluss auch mit diesem Kriegsvoka­bular. Es macht nur Angst, löst nichts.

Von der Regierungs­spitze ist wenig zu hören. Daher sollte der Bundespräs­ident das Heft in die Hand nehmen. Er hat nichts zu verlieren, muss nicht wiedergewä­hlt werden, ist ein Humanist, eine letzte Autorität und könnte sich verdient machen um die Flüchtling­e und ein menschlich­es Österreich. Die Schande von Traiskirch­en muss ein Ende haben.

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