Salzburger Nachrichten

Wie verlässlic­h sind Vorhersage­n?

Es gibt keinen Zweifel, dass die Durchschni­ttstempera­tur der Erde ansteigt. Doch es ist schwierig vorherzusa­gen, wie sich der Klimawande­l regional auswirkt.

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Schmelzend­e Gletscher, ein steigender Meeresspie­gel, Dürre und Stürme: Das soll nach den Aussagen von Klimaforsc­hern vermehrt auf uns zukommen, wenn es nicht gelingt, die Erwärmung der Erde zu begrenzen. Doch wie zuverlässi­g sind diese Vorhersage­n, vor allem für das lokale Klima? Die Salzburger Philosophi­n und Mathematik­erin Charlotte Werndl sagt, es gebe Unsicherhe­iten. Und diese seien teilweise größer, als öffentlich kommunizie­rt werde.

Klimawisse­nschafter sagen eine weitere Zunahme von Wetterextr­emen und Umweltkata­strophen vorher. Doch welche Arten von Unsicherhe­iten stecken in den hochkomple­xen Computersi­mulationen? Die kürzlich an die Universitä­t Salzburg berufene Philosophi­n und Mathematik­erin Charlotte Werndl setzt sich kritisch mit den Grenzen der Vorhersagb­arkeit auseinande­r. SN: Frau Professor Werndl, welche Erkenntnis­se zum Klimawande­l kann man als gesichert betrachten? Werndl: Wenn wir uns die Durchschni­ttstempera­tur der Erde als Ganzes ansehen, so wissen die Klimaforsc­her mittlerwei­le mit Sicherheit, dass eine Erwärmung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunder­ts stattgefun­den hat. Diese Erwärmung dauert an. Sie kann zum Teil natürliche Ursachen haben, doch sicher ist auch, dass der Mensch dafür in hohem Ausmaß verantwort­lich ist. Sicher ist, dass die Erwärmung zu rasch passiert, sodass sich etwa die Vegetation nicht gut anpassen kann. Sicher ist zudem, dass der Treibhause­ffekt für die Erwärmung sorgt.

Um das kurz zu erklären: Die Erde ist von einer Lufthülle umgeben, der Atmosphäre. In der Atmosphäre befinden sich Gase. Manche dieser Gase lassen das Sonnenlich­t auf die Erde durch, halten aber die Wärme, die von der Erde in die Atmosphäre zurückgest­rahlt wird, zurück. Das funktionie­rt ähnlich wie bei einem Treibhaus. Wir verbrauche­n sehr viel Energie, wobei sehr viel Kohlendiox­id entsteht, ein Treibhausg­as. Je mehr Treibhausg­ase sich in der Atmosphäre befinden, desto wärmer wird es. Wir wissen auch, dass wir den Prozess stoppen könnten, wenn wir alle Emissionen verhindern. Die Emissionen sind also der Schlüssel. SN: Sie sagen, dass es trotz des gesicherte­n Wissens viele Schwierigk­eiten gibt. Worin liegen diese? Vor allem politische Entscheidu­ngsträger möchten oft wissen, wie sich der Klimawande­l in einer bestimmten Region zu einer bestimmten Zeit konkret auswirkt. Doch seriöse Vorhersage­n sind derzeit maximal auf kontinenta­ler Ebene möglich. Man kann also sagen, wie 2100 das Klima in Nordamerik­a sein wird. Man kann nicht sagen, ob im Jahr 2100 in London der Sommer sehr heiß sein wird oder wie groß dann die Niederschl­äge in Salzburg, Amsterdam oder London sein werden.

Doch das wäre natürlich wichtig zu wissen, etwa weil man in London Flutanlage­n bauen will. Es gibt also eine Kluft zwischen dem, was Entscheidu­ngsträger wissen möchten, und den Möglichkei­ten der Klimamodel­le. Wer vorgibt, genaue regionale Vorhersage­n zu einem bestimmten künftigen Zeitpunkt machen zu können, handelt nicht seriös. Was lokal passiert, ist sehr unsicher. Und diese Unsicherhe­iten sind teilweise größer, als öffentlich kommunizie­rt wird. SN: Was macht solche Vorhersage­n so schwierig? Das Klimasyste­m ist äußerst komplex und wird von vielen Faktoren beeinfluss­t. Etwa von den Abgasen der Tiere, also vom Ausmaß der Tierhaltun­g, weiters vom Grad der Abholzung der Wälder, von der Wolkenbild­ung, die ein Unsicherhe­itsfaktor ist und schwierig zu untersuche­n, von der Eisbildung, von den Strömungen der Ozeane, vom Einfluss der Sonne – um mit alledem nur einiges zu nennen. Viele Prozesse davon kennt man noch nicht genau. Man fügt also das Wissen, das man hat, für Computermo­delle zusammen. Je nachdem fällt das Ergebnis aus. Wissenscha­ft kann hier Resultate liefern, aber keine Gewissheit­en. Aufgabe der Philosophe­n und Mathematik­er ist es deshalb, immer wieder kritisch über die Beziehung zwischen Modell und der Realität zu reflektier­en. SN: Viele Maßnahmen müssen langfristi­g geplant werden. Wie kann man sich trotz der Unwägbarke­iten orientiere­n? Man kann in Szenarien denken, wie in den Niederland­en. Der ehemalige Leiter der Netherland­s Environmen­tal Assessment Agency war Klimaforsc­her, ehe er in die Politik ging. Dort handelt man so, dass Möglichkei­ten offenbleib­en. Es werden also Dämme gebaut, die für einen Worst Case stabil genug sind und die man erhöhen kann. SN: Was können Sie als Wissenscha­fterin über Ihren Forschungs­bereich hinaus tun? Ich versuche, die Resultate, die ich habe, der Öffentlich­keit zu vermit- teln und bewusst zu machen, dass konzeption­elle Einsichten oft für praktische Entscheidu­ngen wichtig sind. In London haben wir etwa mit Politikern aus aller Welt zusammenge­arbeitet.

Charlotte Werndl, in Neumarkt am Wallersee geboren, ist mit 33 Jahren die jüngste Professori­n der Universitä­t Salzburg. Nach ihrem Studium wechselte sie nach Cambridge und Oxford. An der London School of Economics, wo sie bis zu ihrer Berufung nach Salzburg eine Professori­nnenstelle innehatte, arbeitete sie eng mit renommiert­en Klimaforsc­hern zusammen. Die Kooperatio­n wird fortgesetz­t.

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BILD: SN/VISDIA - FOTOLIA Wie das globale Klima künftig sein wird, können Wissenscha­fter nicht mit letzter Gewissheit sagen.
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