Salzburger Nachrichten

Faymann appelliert, Strache schäumt

Nach dem UNHCR interessie­rt sich auch Amnesty Internatio­nal für die Zustände im völlig überfüllte­n Flüchtling­slager Traiskirch­en. Die Rufe nach Asyl auf Zeit werden immer lauter.

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In der immer hitziger werdenden Flüchtling­sdebatte meldete sich nun auch Bundeskanz­ler Werner Faymann (SPÖ) zu Wort. Er kündigte an, Lösungsans­ätze in ernsthafte­n regierungs­internen Besprechun­gen klären zu wollen. Heute, Freitag, will er gemeinsam mit Vizekanzle­r Reinhold Mitterlehn­er (ÖVP) zum alles bestimmend­en Thema Stellung nehmen. Vorab appelliert­e er an alle Bürger, möglichst einen Beitrag zur Bewältigun­g der Asylkrise zu leisten.

Aus der nun offiziell vorliegend­en Statistik für das erste Halbjahr geht hervor, dass bis Ende Juni bereits mehr Menschen um Asyl angesucht haben (28.311) als im gesamten vergangene­n Jahr (28.027). Da sich der Zustrom aus den Krisengebi­eten im Nahen Osten, in Afghanista­n und Afrika zuletzt ununterbro­chen beschleuni­gt hat, wird bis Jahresende mit 80.000 Asylanträg­en gerechnet. Zugleich steigt die Anerkennun­gsrate. Geschätzt 30.000 bis 40.000 Menschen dürfte heuer der Flüchtling­sstatus in Österreich zuerkannt werden, womit sich die nächste Unwägbarke­it in der Planung ergibt: Wie viele werden den Antrag stellen, die engsten Familienan­gehörigen nachzuhole­n? Fest steht, dass die Zahlen bereits stark steigen. Die Erfahrung der Vorjahre zeigt, dass ein Antragstel­ler im Schnitt drei Familienmi­tglieder nachholen will. Infrage dafür kommen ausschließ­lich Ehepartner und minderjähr­ige Kinder, bei minderjähr­igen unbegleite­ten Flüchtling­en sind es die Eltern und minderjähr­ige Geschwiste­r.

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache forderte am Donnerstag erneut, Asyl nur auf Zeit zu gewähren. Geht es um Syrien-Flüchtling­e, können sich das auch der Salzburger Lan- deshauptma­nn Wilfried Haslauer (ÖVP) und der Flüchtling­skoordinat­or im roten Wien, Peter Hacker, vorstellen. Österreich habe das bereits während des Bosnienkri­egs erprobt („Bosnierver­ordnung“).

Der Regierung warf Strache vor, bisher nur „Scheinlösu­ngen“ergriffen zu haben. Wirtschaft­sflüchtlin­ge würden nicht konsequent abgeschobe­n, die Polizei stehe „am Rande des Kollaps“. Wie tags zuvor Burgenland­s LH Hans Niessl (SPÖ) forderte Strache einen Assistenze­insatz des Bundesheer­es. Den forderte auch Niessls blauer Vize Johann Tschürtz: Das Heer solle an der Grenze postiert werden und „alle abweisen“.

Das Rote Kreuz drängt indessen auf einen weiteren Asylgipfel. Alle für das Asylwesen Verantwort­lichen – Vertreter von Bund, Ländern und Gemeinden – sollten sich zusammense­tzen und erst dann wieder aufstehen, „wenn weißer Rauch aufsteigt, sprich: eine menschlich­e Lösung gefunden wurde“, sagte Generalsek­retär Werner Kerschbaum. Die Zeit dränge. In wenigen Wochen müssten die Ersatzquar­tiere in den Schulen geräumt werden, weil sie dann wieder für den Unterricht gebraucht würden. Und danach werde es Herbst und Winter.

Im mit 4500 Asylsuchen­den, darunter viele minderjähr­ige, hoffnungsl­os überfüllte­n Erstaufnah­mezentrum Traiskirch­en spitzt sich die Lage weiter zu. Das hat nach dem UNHCR Amnesty Internatio­nal auf den Plan gerufen. Die Menschenre­chtsorgani­sation hat beim Innenminis­terium einen Antrag auf Überprüfun­g der Situation gestellt. Sollten die Bundesländ­er nicht bis Wochenende die versproche­nen Quartiere bereitstel­len, will das Innenminis­terium, wie berichtet, am Montag einen Aufnahmest­opp in Traiskirch­en verfügen.

„Alle müssen sich zusammense­tzen, bis weißer Rauch aufsteigt.“

Werner Kerschbaum, Rotes Kreuz

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