Im Land der Ampelpärchen
Im Kampf um die Rechte Homosexueller machen die Höchstgerichte in Österreich seit Jahren Politik – der Anwalt Helmut Graupner auch.
WIEN. Der Anwalt Helmut Graupner brachte viele Diskriminierungen Homosexueller vor die Höchstgerichte. Anfang August bringt sein Rechtskomitee Lambda eine parlamentarische Bürgerinitiative zur Aufhebung des Eheverbots für gleichgeschlechtliche Paare im Parlament ein (www.ehe-gleich.at). SN: Vor gar nicht langer Zeit war Österreich noch unter den Schlusslichtern bei der Gleichstellung Homosexueller. Seit einem Jahr sieht es so aus, als hätte Österreich die Toleranz erfunden. Alles nur eine große Täuschung? Graupner: Es ist eine Täuschung, soweit es die Politik betrifft, es ist keine Täuschung, soweit es die Österreicherinnen und Österreicher betrifft. Es ist nicht erst seit einigen Jahren, sondern seit einigen Jahrzehnten so, dass die Bevölkerung viel weiter ist als die Politiker. Nach den gängigen Umfragen sind drei Viertel der Bevölkerung dafür, dass das Eheverbot für gleichgeschlechtliche Paare aufgehoben wird. SN: Warum tut sich die Politik damit so schwer? Ein Teil der Politik blockiert das eben – aus reiner Ideologie, denn normalerweise, wenn es irgendwo einen Befund gibt, nach dem drei Viertel der Bevölkerung für etwas sind, setzen sich sofort alle Parteien drauf. In unserem Bereich ist es insbesondere bei der ÖVP und noch stärker bei der FPÖ so, dass sie aus Ideologie dagegen sind. Bei der FPÖ vielleicht auch aus einer wahltaktischen Überlegung heraus, dass sie sagen: „Wir holen als Protestpartei die 25 Prozent ab, die dagegen sind.“Bei der ÖVP verstehe ich es nicht, denn sie kann diese Klientel, die längst Blau wählt, nicht erreichen. Aber sie verliert viel, wenn sie sich in Gegensatz zu den Haltungen der eigenen Wählerschaft setzt. SN: Es zeigen auch ÖVP-Politiker immer wieder eine offenere Haltung. Warum ist die Partei weiter so unbeweglich? Von den Spitzen der ÖVP hören wir immer wieder, das bringen wir bei uns im Parlamentsklub nicht durch, jetzt müssen wir einmal die kleinen Schritte setzen: Etwa die Unterschiede zwischen Ehe und Eingetragener Partnerschaft beseitigen. SN: Gibt es noch so viele? Es sind immer noch 33 Unterschiede. Dass es in der eingetragenen Partnerschaft nur einen Nachnamen, aber keinen Familiennamen gibt, ist eine der symbolischen Diskriminierungen. Ebenso, dass man die Ehe schon ab 16, die Eingetragene Partnerschaft erst ab 18 schließen darf. Warum der Unterschied? Das transportiert nur die Message: „Homosexualität ist jugendgefährdend.“Allen voran steht der Punkt, dass die Eingetragene Partnerschaft nicht auf dem Standesamt geschlossen werden darf. Dabei wurde uns das vor über einem Jahr versprochen. Wir werden nur veräppelt. Aber dieses Thema wird nicht einschlafen: Ganz Westeuropa hat die Ehegleichheit. Wir verlieren gerade wieder den Anschluss. Das war damals beim Strafrecht so und jetzt sind wir wieder Schlusslicht. SN: Über die Eingetragene Partnerschaft, die 2010 kam, haben Sie sich gar nicht gefreut? Wir haben uns gefreut, sie ist halt sehr spät gekommen und nur, weil es ein Verfahren vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof gegeben hat. Trotz vieler Absichtsbekundungen ist politisch nichts weitergegangen. In der ÖVP fürchtet man sich offenbar vor irgendwelchen fundamentalistischen Kernkreisen. David Cameron hat gezeigt, wie man als konservative Partei wieder groß wird, indem man den Nerv der Zeit trifft. Cameron war einer der führenden Befürworter der Aufhebung des Eheverbots in Großbritannien: „Nicht obwohl ich ein Konservativer bin, sondern weil ich ein Konservativer bin.“ SN: Würde Sie das auch gern vom ÖVP-Chef hören? Das würde ich mir von Mitterlehner wünschen. Die Innenministerin hat bei einem Treffen mit uns völlig richtig wortwörtlich gesagt: „Heute wollen eh nur mehr Priester und Schwule heiraten.“– Ja warum soll man sie dann nicht heiraten lassen? Die ÖVP beklagt, dass immer weniger Menschen die Ehe schließen und hochhalten, da müsste man als konservative Partei eine Bevölkerungsgruppe, die mindestens zehn Prozent ausmacht, mit offenen Armen empfangen. SN: Warum begibt sich die Politik da völlig ihrer Gestaltungsmöglichkeiten? Genau das hat Mitterlehner angesprochen in einer seiner ersten Reden. Er hat gesagt, das wollen wir nicht mehr, wir möchten selbst gestalten. Die Politik hat ja 1996 aufgehört, in dem Bereich zu gestalten – seitdem läuft alles über die Gerichte. Die meisten Fälle habe ich vertreten. Auch die Eingetragene Partnerschaft kam nur zustande, weil der Europäische Menschenrechtsgerichtshof in einem Fall eine Ladung geschickt hat und Österreich dann innerhalb weniger Wochen das Gesetz verabschiedet hat, damit das Verfahren in Straßburg eingestellt wird. SN: Wenn man auf den Life Ball, Conchita Wurst, Regenbogenparade, Ampelpärchen auf der einen Seite schaut und auf Ihre vielen beinharten Klagen bis zum Höchstgericht auf der anderen: Was hat mehr bewirkt? Das eine ist die gesellschaftliche Stimmung, das andere Teil der Politik. Da gibt es zwei Parteien, die viel verhindern können, insbesondere die ÖVP in der Regierung. Darum sind wir dabei, möglichst viel Überzeugungsarbeit zu machen. Wir haben die Hälfte der ÖVP-Abgeordneten besucht. Nur zwei haben offen gesagt, dass sie gegen die Aufhebung des Eheverbots sind. SN: Sie machen jetzt auch mit einer Parlamentarischen Bürgerinitiative Druck für eine „Ehe gleich!“. . . Wir sammeln noch Unterschriften, Anfang August wird sie dem Parlament übergeben. Wenn sich das Parlament dann damit beschäftigt, kann die Initiative auch online unterzeichnet und unterstützt werden. Da hoffen wir, dass noch sehr viele Unterstützer dazukommen. Wir hoffen, dass es im Parlament eine Enquete geben wird, bei der man sich sachlich und ohne ideologische Scheuklappen mit dem Thema auseinandersetzt, um dann eine Entscheidung zu treffen. In einer freien Abstimmung soll jeder Abgeordnete entscheiden. Da würde die Politik seit 1996 erstmals hier wieder gestaltend tätig werden. SN: Ist es tatsächlich so, dass Homosexuelle bei uns heute in Lokalen und Hotels abgewiesen werden können? Das ist völlig legal. Außerhalb des Arbeitsplatzes gibt es für Homosexuelle keinen Diskriminierungsschutz. Man darf einen Menschen nicht abweisen wegen der Hautfarbe oder einer Behinderung, man darf aber Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung abweisen. SN: Welche rechtlichen Regelungen wären notwendig? Das, was es für Rasse, ethnische Herkunft, für Behinderung, für Geschlecht gibt, nämlich dass man auch außerhalb des Arbeitsplatzes bei Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen und in der Bildung aufgrund sexueller Orientierung nicht diskriminieren darf. SN: Auf welcher Ebene sind die Diskriminierungen am ausgeprägtesten? Symbolisch, gesetzlich, politisch? Die symbolischen Diskriminierungen, dass die Partnerschaft nicht auf dem Standesamt geschlossen werden darf, dass man keinen Familiennamen haben darf, sind im Gesetz festgelegt. Schlimm ist, dass man sich bei der Bewerbung outen muss: Viele große Unternehmen, auch der Staatsdienst, verlangen die Angabe des Personenstands. Wenn man „Eingetragene Partnerschaft“angibt, ist man schon als Homosexueller geoutet. Das ist etwas ganz Gravierendes, was man selbst dann nicht beseitigen kann, wenn man alle 33 Unterschiede beseitigt. Das ist festgelegt in dieser sexuellen Apartheid, dass man zwei Institute für zwei Gruppen von Menschen hat. Der US-Supreme Court hat über Jahrhunderte die zynische Doktrin „separate but equal“ zur Rechtfertigung der Rassentrennung angewendet. SN: Wird bei uns mit „separate but equal“argumentiert? Das ist genau die Doktrin der ÖVP – auch der Freiheitlichen, die aber die Eingetragene Partnerschaft überhaupt wieder beseitigen wollen. Aber die ÖVP sagt genau das: getrennt, aber gleich. Sie hat damit aber genau den Grundsatz, der die ethnische Rassentrennung gerechtfertigt hat in den USA und auch in Südafrika. Die ÖVP sagt genauso: „Wir werden schauen, dass wir ungerechtfertigte Benachteiligungen noch beseitigen, aber das getrennte Regime ist nicht ungerechtfertigt, das soll so bleiben. Ihr habt die Eingetragene Partnerschaft, wir haben die Ehe. Dass ihr ein eigenes Rechtsinstitut habt, ist ja nicht diskriminierend.“Und genau das ist die Argumentation der Rassentrennung. SN: Welche offenen Baustellen ärgern sie noch? Am empörendsten ist die fehlende Rehabilitierung der Opfer der früheren homophoben Sonderstrafgesetze. Die Sonderstrafgesetze gibt es seit 2002 nicht mehr. Aber über 200 Menschen haben das Delikt noch im Strafregister stehen. Der Menschenrechtsgerichtshof hat Österreich deshalb vor mehr als eineinhalb Jahren verurteilt. Aber es geschieht nichts. Die Verurteilungen gehören pauschal aufgehoben, Österreich missachtet das Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs, das ist das Allerempörendste überhaupt. Das ist ein rechtspolitischer, ein menschenrechtlicher und ein rechtsstaatlicher Skandal.
Zur Person. Rechtsanwalt Helmut Graupner (50) ist Präsident des Rechtskommittee Lambda, einer Organisation, die sich für die Rechte von Homosexuellen einsetzt.