Salzburger Nachrichten

Die Grenze dicht machen

Die britische Regierung will künftig mehr illegale Migranten abschieben. Das soll Flüchtling­en signalisie­ren, dass das Königreich „kein sicherer Hafen“ist.

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Vor allem wollen jene Menschen, die in Calais in Wartestell­ung ausharren, aus ihrem derzeitige­n Leben flüchten – nach Großbritan­nien. „Dort erwartet uns das beste Leben“, meinen viele. Das jedenfalls hätten sie gehört. „In Großbritan­nien gelten Menschenre­chte“, sagt ein Syrer. Tag für Tag gehen er und seine Kollegen durch, wie sie durch die Löcher des Zauns schlüpfen könnten, um in den Tunnel unter dem Ärmelkanal zu gelangen. Dort springen sie auf wartende Lastwagen oder klettern auf Züge. Ein Mann kam in der Nacht auf Mittwoch beim Versuch, Großbritan­nien zu erreichen, ums Leben – laut Eurotunnel, dem Betreiber der Unterführu­ng, ist es bereits der neunte Tote in einem Monat.

Dass im Königreich Englisch gesprochen wird, kommt zahlreiche­n Flüchtling­en entgegen. Entweder weil es in ihrem Herkunftsl­and Amtssprach­e ist oder sie Englisch in der Schule gelernt haben. Hinzu kommt, dass in der Metropole London, aber auch in Ballungsze­ntren wie Birmingham oder Manchester bereits große arabische und afrikanisc­he Gemeinscha­ften existieren. Katrin Pribyl berichtet für die SN über Großbritan­nien Bekannte, Verwandte oder Freunde, die es schon über die Grenze geschafft haben, könnten bei der Ankunft und beim Finden eines Jobs helfen. Dass in Großbritan­nien die Arbeitslos­enquote mit 5,4 Prozent nur gut halb so hoch ist wie in Frankreich, weckt Hoffnungen. Auf der Insel ist die wirtschaft­liche Lage im Vergleich zu den südeuropäi­schen Ländern, wo die meisten Menschen in Booten ankommen, deutlich besser. Außerdem gibt es kein Meldegeset­z, sodass es einfacher ist, schwarz zu arbeiten oder unterzutau­chen. Es herrscht, anders als etwa in Deutschlan­d oder Frankreich, keine Ausweispfl­icht. Die Polizei kann demnach nicht einfach Menschen auf der Straße nach ihren Papieren fragen.

Dass das Königreich aufgrund seiner Sozialleis­tungen als Sehnsuchts­land gilt, wie konservati­ve Medien betonen, nennt das Rote Kreuz einen „Mythos“. Einwandere­r haben jedoch das Recht, kostenlos den Nationalen Gesundheit­sdienst NHS zu nutzen. Damit sind sie im Krankheits­fall abgesicher­t. Um diese Leistungen zu erhalten, muss jedoch erst einmal der Asylantrag genehmigt werden. 2014 haben dies zwar knapp 39 Prozent der Bewerber geschafft. Aber am Ende waren es nur 10.050 Migranten, die offiziell im Königreich bleiben durf- ten. Doch es sollen noch weniger werden.

Schon jetzt würden Gesetze verabschie­det, betont Premier David Cameron, die das Bleiben auf seiner Seite des Ärmelkanal­s erschwerte­n. Die Politik rätselt, wie sie Stärke zeigen und den Rechtspopu­listen um Nigel Farage von der Anti-EU-Partei Ukip den Wind aus den Segeln nehmen kann. Da ist zum einen der Zaun, der ausgebaut und verstärkt werden soll. Umgerechne­t fast zehn Millionen Euro will die Regierung in Westminste­r zur Verfügung stellen, um die „Sicherheit­svorkehrun­gen“zu intensivie­ren. Dazu gehören auch mehr Videokamer­as und Hunde. Cameron kündigte am Donnerstag an, härter durchgreif­en zu wollen. „Wir werden mehr illegale Migranten aus unserem Land abschieben, damit die Leute wissen, dass es kein sicherer Hafen ist, wenn man einmal da ist.“

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BILD: SN/APA/EPA/YOAN VALAT Ansturm von Flüchtling­en in Calais: Erst durch den Zaun, dann runter in den Eurotunnel und anschließe­nd weiter nach Großbritan­nien.
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