Tränen fließen nicht nur bei Trauer
Dass immer mehr Sängerinnen und Sänger für Solovorträge oder Liederabende bestimmten Motti folgen, hebt die Attraktivität solcher Vorstellungen. Sie signalisieren gleichermaßen Abwechslung wie Geschlossenheit. Man kann sich auch als Hörer einlassen auf bestimmte Themen, ihrem Gang durch musikgeschichtliche Epochen folgen und so klingende Zeitbilder empfangen.
Neugierde und Entdeckerfreude zeichnen solche Projekte aus, und die Berlinerin (mit gelegentlicher Salzburger Erdung) Anna Prohaska, ohnehin gerne Grenzgängerin, ist eine junge, neue federführende Kraft dieser Art. Ihrem faszinierenden WeltkriegsLiederabend „Behind the Lines“im Vorjahr ließ sie jetzt ein Programm mit Trauerklagen folgen: Lachrimae. Mag sein, dass das Thema die Veranstalter dazu verleitete, das Konzert zum Abschluss der „Ouverture spirituelle“in der Kollegienkirche zu platzieren. Abgesehen aber von zwei „Szenen“mit biblischer Konnotation von Henry Purcell und Tarquinio Merula folgte Prohaskas Programm durchaus weltlichen Spuren: Nummern aus Opern wie „La Calisto“von Cavalli oder „The Fairy Queen“von Purcell, ausgreifende, oft hoch expressive Solokantaten etwa von Barbara Strozzi oder Giovanni Felice Sances – exzellente sängerische Klangentdeckungen in der Programmfolge – oder instrumentale Zwischenspiele mochten zwar in engerer oder weiterer Form von „Tränen“be- richten, tragen aber in ihrer Ausdrucksintensität durchaus intime, also eher in einen kammermusikalischen Raum gehörende Eigenschaften. Insofern verhallte die glänzende Idee dieses außerordentlichen Abends im Sinne des Wortes im Prachtbau des Fischer von Erlach.
Das betraf vor allem die sechs Musiker des Ensembles „Arcangelo“, deren Sound oft und oft (und wahrscheinlich je weiter entfernt man vom Podium war) ins wabernde Nirwana verschwand.
Anna Prohaskas Stimme indessen schien, vielleicht gar aus der Not eine Tugend machend, mit den akustischen Gegebenheiten wunderbar kreativ zu spielen. Sie kann sogar Echos mit sich selbst singen. Ihr Sopran blüht herrlich auf, hat merkbar an Volumen gewonnen und einen fantastischen Farbenreichtum und eine Flexibilität des Ausdrucks. Mit vielen feinsten Nuancen schlägt sie Kapital aus der Stimme, um einen famos sprechenden Gestus des Singens zu erzielen. Alles wird vom Wort aus gestaltet, in eine fabelhaft intonationssichere, strömende und doch präzise konturierte vokale Linie und eine wunderbar körperhafte, elegante Form überführt. So wird jedes Lied zur individuellen „Szene“oder kostbarer noch: einem Juwel.
Jede „Szene“wird zu einem kleinen Juwel