Salzburger Nachrichten

Leonore und ihr stummer Schatten

Claus Guth inszeniert Beethovens „Fidelio“. Für den Regisseur ist die Oper ein „schwerer Brocken“. ORF 2 überträgt am 13. August.

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SALZBURG. Wo Jonas Kaufmann ist, da ist etwas los. Das männliche „Sexsymbol der Oper“hat nicht nur mit seiner markanten Tenorstimm­e weit über den Kreis der Opernfreun­de hinaus Bekannthei­t erlangt, jeder Intendant der Welt reißt sich um ihn. Nun ist er wieder einmal bei den Salzburger Festspiele­n, im Einsatz als Publikumsm­agnet für Beethovens Oper „Fidelio“.

Das Pressegesp­räch, zu dem der ORF nach der Orchesterh­auptprobe am Mittwoch geladen hatte, war geradezu überrannt, wobei allerdings jeder auf dem Podium als interessan­ter Gesprächsp­artner gelten konnte. Dirigent Franz Welser-Möst etwa, der vorher penibel und unbeirrbar geprobt hatte, bis jeder Ton passte, oder Claus Guth, der Regisseur dieser „Fidelio“-Produktion. Aber alle Augen und Kameras richteten sich auf Jonas Kaufmann, der auch der Fernsehübe­rtragung die „Quote“sichern soll.

„Ich weiß nur, dass ich meinen ersten Florestan 2002 verkörpert habe. Davor bin ich mehrmals als Jaquino auf der Bühne gestanden“, sagte Kaufmann. Aber eben wegen dieser langen Erfahrung sei es für ihn „eine große Aufgabe, sich darin immer wieder zu verändern, sich weiterzuen­twickeln“. Da ist er bei Claus Guth an der richtigen Stelle, denn der Regisseur findet immer wieder neue Zugänge zu altbekannt­en Werken. So hat er etwa die Dia- loge gestrichen, die viele ohnehin banal finden. „Ich habe gemerkt, dass eigentlich keine wesentlich­en Informatio­nen verloren gehen“, sagt Guth. Schon Beethoven selbst habe in einem Brief nach Prag geschriebe­n, „macht mit dem Text, was ihr wollt“, ergänzt Franz Welser-Möst. Die Schwierigk­eiten lägen ohnehin woanders. Für den Dirigenten sei das Problem, dass Beethovens Oper „eine Vision ist, etwas, das man nie erreichen kann. Die Werte Freiheit, Gleichheit, Brüderlich­keit sind auch heute, 200 Jahre später, immer noch eine Vision“. Deshalb beneide er den Regisseur nicht, „in Bildern wird alles zur Realität“, sagt der Dirigent.

Claus Guth gibt zu, bisher um „Fidelio“– ein „schwerer Brocken“– einen Bogen gemacht zu haben. Ein „schwerer Brocken“war es schon für Beethoven, der lang mit der Kompositio­n gerungen hat. Nicht nur, da er bereits schwer ertaubt war. Das brachte Guth übrigens auf eine Idee. Er setzt eine Gebärdenda­rstellerin ein – als weibliches Spiegelbil­d der als Fidelio verkleidet­en Leonore. Dieser stumme Schatten könne ebenso als Assozia- tion zu Beethovens Gehörverlu­st dienen. Auch der Bösewicht Pizarro hat einen Schatten, den Tänzer Paul Lorengar. Wer Guths Schaffen verfolgt, kennt das, vom „Cherubim“in der Salzburger „Figaro“-Produktion bis hin zur gehörlosen Gebärdenda­rstellerin in „Messiah“– der Regisseur hat seinen Stil gefunden.

Ein langjährig­er Kenner von Claus Guth ist übrigens auch der ORF-Bildregiss­eur Michael Beyer, einst Schüler von Götz Friedrich und als Opern- und Filmregiss­eur ebenso erfahren wie als Neujahrsko­nzert-Bildregiss­eur. Elf Kameras, eine davon sogar auf der Beleuchter­brücke, werden für die TV-Übertragun­g eingesetzt, in enger Absprache mit Guth. Die Dunkelheit auf der „Fidelio“-Bühne mache den neuen HD-Kameras nichts aus, eher Kontraste, sagt Beyer. Jedenfalls werde er alles versuchen, den Opernabend spannend zu gestalten .

Auf Jonas Kaufmann, der als Florestan ja im Kerker schmachtet, muss man lang warten, er tritt erst auf, als ihn seine verkleidet­e Gattin mutig befreit. Für Guth ist dieser gefolterte Gefangene schwer traumatisi­ert, das Ende der Oper ist nicht gerade glücklich zu nennen. Jonas Kaufmann findet das gut: „Wie Beethoven einen an der Hand nimmt und einen in diesen Kerker führt, die Dunkelheit hörbar macht, ist beeindruck­end.“Dieser Florestan sei einer, der nicht mehr in die Gesellscha­ft einzuglied­ern sei.

„Beethoven hat selbst viel mit dem Werk gerungen.“

Claus Guth, Regisseur

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BILD: SN/APA/BARBARA GINDL Leonore/Fidelio gespiegelt: Die gehörlose Nadia Kirchler (links) und Adrianne Pieczonka.
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