Salzburger Nachrichten

Lärm türmt sich auf zu neuer Kunst

Babylonisc­hes Sprachgewi­rr, elektrisie­rende Gitarren: Was passiert, wenn bildende Künstler mit Ton spielen, ist in Salzburg zu sehen.

- WWW.TRAKLHAUS.AT Ausstellun­g: Lärm. Ton, Klang, Musik und bildende Kunst, bis 5. 9.

SALZBURG. Das Durcheinan­der der Botschafte­n, die aus dem Boxenturm dringen, ist nicht einfach zu entwirren. War das nicht die Stimme von US-Präsident Obama? Und was hat er mit den Schlagwort­en zur Flüchtling­skrise zu tun, die immer wieder aus der Klangkulis­se auftauchen? Wer in diesem Wortdickic­ht bloß noch Bahnhof versteht, hat nicht einmal Unrecht: „Auch Geräusche einer Bahnhofssz­ene haben wir in die Klanginsta­llation mit eingebaut“, sagt Martin Lerch. Rund 300 ausrangier­te Stereoanla­gen, CD-Player und Lautsprech­erboxen hat der Salzburger Künstler für seine gemeinsame Arbeit mit Anna und Stefan Wegenkittl aufgetürmt. Die Sprachverw­irrung, die den Betrachter umfängt, ist Teil des Konzepts: „Turmbau zu Babel“heißt die Klangskulp­tur. „Mit den Mitteln der Technik werden immer größere, immer komplexere Türme gebaut“, sagt Lerch zur Präzisieru­ng der Idee. „Aber haben sich die zwischenme­nschlichen Beziehunge­n dadurch wirklich verbessert? Die babylonisc­he Sprachverw­irrung ist geblieben.“Im Innenhof des Salzburger Traklhause­s gibt der Boxen- turm seit gestern, Donnerstag, einen Vorgeschma­ck auf das, was in den Ausstellun­gsräumen wartet. „Lärm“heißt die Sommerscha­u des Traklhause­s. Ein Gehörschut­z für den Galeriebes­uch ist aber nicht nötig. Viel luftiger als die großen Ausstellun­gen der vergangene­n Sommer ist die Schau geworden. Das liegt nicht zuletzt daran, dass jede Soundskulp­tur ihre Klangzone braucht, damit sich die Exponate eben nicht nach babylonisc­hem Prinzip gegenseiti­g übertönen.

Wie aus Wegwerfmat­erial neue Kunst wird, zeigt unterdesse­n auch Florian Gruber. Als Sounddesig­ner und Tontechnik­er ist er gewohnt, alle Kratzgeräu­sche und Zischlaute aus Sprachaufn­ahmen zu entfernen. Als Künstler wollte er den Spieß einmal umdrehen. Vier Texte hat er für seine Installati­on aufgenomme­n. Aus den Lautsprech­ern aber dringt nur das, was sonst weggeschni­tten würde: Sprechgerä­usche im Hochfreque­nzbereich.

Die Arbeiten von Salzburger Künstlern, teils aus der Sammlung des Landes, nehmen in der Schau den breitesten Raum ein, wie Galerielei­terin Dietgard Grimmer sagt. Wie ein Grundgeräu­sch ziehen sich aber auch die Leihgaben von Ger- hard Rühm durch die Räume: An vielen Wänden hängen seine Musikcolla­gen. Zu den prominente­n Leihgaben gehören Bilder von Christian Ludwig Attersee. In seiner vieldeutig betitelten „Haigeige“ist der Bezug zur Musik über Sprachbild­er gegeben. Wer sich unter den schwarzen Regenschir­m von Klangkünst­ler Bernhard Leitner stellt, bekommt zur Vision auch den Sound: Aus dem Inneren des Schirms lässt Leitner Klänge regnen.

Auch Arbeiten mit Mozart-Anspielung­en füllen im Traklhaus eine Wand. Mit elektrisie­renden Klängen spielen hingegen Chris Janka und Daniel Wetzelberg­er. Gitarrist Janka verstärkt den Strom, den die Tonabnehme­r seiner E-Gitarre generieren, in solche Höhen, dass sich das Solo als knisternde­r Lichtbogen hör- und sichtbar wird. Und bei Wetzelberg­er wird der Begriff des erdigen Sounds doppeldeut­ig: Aus feuchtem Ton hat er einen mannshohen Kegel geformt, in dessen Innerem sich ein Verstärker versteckt. Heraus schaut ein Gitarrenka­bel. Wer es in die Hand nimmt und dabei den Kegel berührt, löst diverse (Brumm-)Sounds aus: Der Betrachter wird zum Tonkünstle­r.

 ?? BILD: SN/TRAKLHAUS/SCHAUMBERG­ER ?? Sprachverw­irrung: der Boxenturm im Traklhaus.
BILD: SN/TRAKLHAUS/SCHAUMBERG­ER Sprachverw­irrung: der Boxenturm im Traklhaus.

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