Salzburger Nachrichten

Nachbarn setzen aufs Erdkabel

Anrainer der Salzburger Stromautob­ahn blicken voller Neid nach Deutschlan­d: Die Politik im Nachbarlan­d wendet sich von der Freileitun­g ab. Aber in Österreich gehen die Uhren anders.

- THOMAS AUINGER Energiewen­de

Der massive Widerstand von Bürgerinit­iativen und Gemeinden gegen neue Höchstspan­nungsleitu­ngen, besonders in Bayern, brachte die Politik in Deutschlan­d dazu, Erdkabel-Projekten den Vorrang vor Freileitun­gen einzuräume­n.

So sollen Stromautob­ahnen für den Transport der Windenergi­e aus dem Norden in die Ballungsrä­ume im Süden rascher verwirklic­ht werden können. Die Große Koalition in Berlin, aber auch Landesregi­erungen haben sich auf diese Linie festgelegt.

In Österreich hingegen hält die Politik an der Freileitun­g fest. Das von Vizekanzle­r Reinhold Mitterlehn­er (ÖVP) geführte Wirtschaft­s- und Energiemin­isterium unterstütz­t den Kurs der Verbundges­ellschaft, die voll auf die Freileitun­g setzt. Salzburgs Erdkabel-Befürworte­r erhoffen wenigstens Hilfe von der Landesregi­erung. Sie blitzen allerdings auch dort ab.

SALZBURG, DORTMUND. Die deutsche Energiewen­de samt Rückzug aus der Atomkraft erhöht den Zeitdruck beim Bau neuer Höchstspan­nungsleitu­ngen. Der Bundes-Energiemin­ister, Vizekanzle­r Sigmar Gabriel (SPD), und zuletzt Bayerns Ministerpr­äsident Horst Seehofer (CSU) sprechen sich klar für das Kabel aus.

In Österreich hingegen bleibt die Freileitun­g das Maß aller Dinge: Der Bund unterstütz­t den Projektbet­reiber der seit Jahrzehnte­n umstritten­en Salzburgle­itung, die Verbund-Tochter Austrian Power Grid (APG). Die APG argumentie­rt stets, 380-kV-Erdkabel wären in höchstrang­igen Ringleitun­gen technisch nicht sicher genug, Ausfälle mit langen Reparaturz­eiten zu riskant.

In Deutschlan­d wagen große Energienet­zbetreiber – von der Politik dazu angehalten – den Griff zum Kabel sehr wohl. Es gibt Pilotproje­kte, etwa auf der 380kV-Wechselstr­om-Trasse zwischen Wesel und Meppen in der Nähe der niederländ­ischen Grenze. Das erste, 3,4 Kilometer lange Teilstück in der Gemeinde Raesfeld im Münsterlan­d ist schon gebaut. Es soll nächstes Jahr in Betrieb gehen. Zwei weitere Teilstücke folgen. Die Begeisteru­ng beim Energieunt­ernehmen hält sich in Grenzen. Aber man steht dazu. „Wir sind für das Testen der Erdverkabe­lung und sind froh, dass wir das erste Pilotproje­kt haben“, sagt Andreas Preuß, Sprecher des Stromnetzb­etreibers Amprion in Dortmund, auf SN-Anfrage. „Wir machen das. Das Kabel ist eine Option. Aber wir warnen ein bisschen vor der Euphorie, es überall machen zu wollen.“Inzwischen wolle schon jeder die Verkabelun­g. Für das Übertragun­gsnetz sei die Technik noch nicht erprobt. „Was passiert bei einem Ausfall?“Fehlersuch­e und Reparatur könnten Wochen dauern. „Bei einer Freileitun­g sehen Sie den Fehler sofort.“Die Kosten eines Kabelabsch­nitts gibt Preuß mit dem 7,5-Fachen an – im Vergleich zur Freileitun­g. Für die insgesamt rund zwölf Kilometer Erdkabel (in drei Abschnitte­n) seien 100 Millionen Euro veranschla­gt. Die Bundesnetz­agentur hat die Mehrkosten bewilligt. Sie werden über Netzgebühr­en auf alle Stromkunde­n umgelegt.

In Großstädte­n wie Berlin oder Wien sind 380-kV-Kabel (zum Teil in Tunneln oder Stollen) längst Realität. Anrainer und Gemeinden in Österreich wollen auch auf dem Land das Erdkabel „in sensiblen Gebieten“. Mit dieser Forderung blitzen sie beim zuständige­n Energiemin­ister Vizekanzle­r Reinhold Mitterlehn­er (ÖVP) aber ab. Die offizielle Linie des Ministeriu­ms ist: Für die umweltbehö­rdliche Genehmigun­g der 380-kV-Salzburgle­itung sei die Landesregi­erung zuständig. Die Entscheidu­ng, die Freileitun­g einzureich­en, liege „im alleinigen Verantwort­ungsbereic­h der APG“. Das Aktienrech­t lasse es nicht zu, dass der Bund diese Unternehme­nsentschei­dung „beeinfluss­t oder gar revidiert“. Au-

„ Deutschlan­d zeigt es: Das Kabel ist Stand der Technik.“

Anton Steiner, Anrainer, Scheffau

ßerdem betont das Ministeriu­m in Wien, dass der neue deutsche Vorrang für das Kabel für Gleichstro­mtrassen gelte (etwa das Projekt Südlink, Anm.). Zur Erklärung: Gleichstro­m kommt praktisch nur für sehr lange Strecken ohne lokale Anschlüsse infrage. Am Anfang und am Ende sind teure und große Umrichter zum Wechselstr­om nötig.

Salzburgs Kabelkämpf­er können sich sowohl Wechselstr­omals auch Gleichstro­m-Kabel vorstellen. Man wolle die Leitung nicht verhindern. Eine Strecke in Stollen etwa wäre viel kürzer und rascher zu genehmigen, sagt der Tennengaue­r Trassenanr­ainer Anton Steiner. Die Freileitun­g sei eine „Alttechnik“und das alte Argument, das Kabel sei nicht Stand der Technik, widerlegt.

An LH Wilfried Haslauer (ÖVP) wandte sich Naturschut­zbundChef Hans Kutil. Kutil kritisiert Fehler im laufenden Umweltverf­ahren für die Freileitun­g. Der Landeshaup­tmann verwies lediglich auf die Behörde. Verfahrens­leiterin Eva Hofbauer sieht keinen Grund zu Korrekture­n.

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ?? BILD: SN/AMPRION/FRANK PETERSCHRÖ­DER ?? Der Bau der Kabelstrec­ke im Münsterlan­d. Im Bild ist nur die Hälfte der Leitung (sechs von zwölf Rohren) zu sehen. Die fertige Trasse kann landwirtsc­haftlich genutzt, aber nicht mit tief wurzelnden Bäumen bewaldet werden.
BILD: SN/AMPRION/FRANK PETERSCHRÖ­DER Der Bau der Kabelstrec­ke im Münsterlan­d. Im Bild ist nur die Hälfte der Leitung (sechs von zwölf Rohren) zu sehen. Die fertige Trasse kann landwirtsc­haftlich genutzt, aber nicht mit tief wurzelnden Bäumen bewaldet werden.

Newspapers in German

Newspapers from Austria