Nachbarn setzen aufs Erdkabel
Anrainer der Salzburger Stromautobahn blicken voller Neid nach Deutschland: Die Politik im Nachbarland wendet sich von der Freileitung ab. Aber in Österreich gehen die Uhren anders.
Der massive Widerstand von Bürgerinitiativen und Gemeinden gegen neue Höchstspannungsleitungen, besonders in Bayern, brachte die Politik in Deutschland dazu, Erdkabel-Projekten den Vorrang vor Freileitungen einzuräumen.
So sollen Stromautobahnen für den Transport der Windenergie aus dem Norden in die Ballungsräume im Süden rascher verwirklicht werden können. Die Große Koalition in Berlin, aber auch Landesregierungen haben sich auf diese Linie festgelegt.
In Österreich hingegen hält die Politik an der Freileitung fest. Das von Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) geführte Wirtschafts- und Energieministerium unterstützt den Kurs der Verbundgesellschaft, die voll auf die Freileitung setzt. Salzburgs Erdkabel-Befürworter erhoffen wenigstens Hilfe von der Landesregierung. Sie blitzen allerdings auch dort ab.
SALZBURG, DORTMUND. Die deutsche Energiewende samt Rückzug aus der Atomkraft erhöht den Zeitdruck beim Bau neuer Höchstspannungsleitungen. Der Bundes-Energieminister, Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD), und zuletzt Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) sprechen sich klar für das Kabel aus.
In Österreich hingegen bleibt die Freileitung das Maß aller Dinge: Der Bund unterstützt den Projektbetreiber der seit Jahrzehnten umstrittenen Salzburgleitung, die Verbund-Tochter Austrian Power Grid (APG). Die APG argumentiert stets, 380-kV-Erdkabel wären in höchstrangigen Ringleitungen technisch nicht sicher genug, Ausfälle mit langen Reparaturzeiten zu riskant.
In Deutschland wagen große Energienetzbetreiber – von der Politik dazu angehalten – den Griff zum Kabel sehr wohl. Es gibt Pilotprojekte, etwa auf der 380kV-Wechselstrom-Trasse zwischen Wesel und Meppen in der Nähe der niederländischen Grenze. Das erste, 3,4 Kilometer lange Teilstück in der Gemeinde Raesfeld im Münsterland ist schon gebaut. Es soll nächstes Jahr in Betrieb gehen. Zwei weitere Teilstücke folgen. Die Begeisterung beim Energieunternehmen hält sich in Grenzen. Aber man steht dazu. „Wir sind für das Testen der Erdverkabelung und sind froh, dass wir das erste Pilotprojekt haben“, sagt Andreas Preuß, Sprecher des Stromnetzbetreibers Amprion in Dortmund, auf SN-Anfrage. „Wir machen das. Das Kabel ist eine Option. Aber wir warnen ein bisschen vor der Euphorie, es überall machen zu wollen.“Inzwischen wolle schon jeder die Verkabelung. Für das Übertragungsnetz sei die Technik noch nicht erprobt. „Was passiert bei einem Ausfall?“Fehlersuche und Reparatur könnten Wochen dauern. „Bei einer Freileitung sehen Sie den Fehler sofort.“Die Kosten eines Kabelabschnitts gibt Preuß mit dem 7,5-Fachen an – im Vergleich zur Freileitung. Für die insgesamt rund zwölf Kilometer Erdkabel (in drei Abschnitten) seien 100 Millionen Euro veranschlagt. Die Bundesnetzagentur hat die Mehrkosten bewilligt. Sie werden über Netzgebühren auf alle Stromkunden umgelegt.
In Großstädten wie Berlin oder Wien sind 380-kV-Kabel (zum Teil in Tunneln oder Stollen) längst Realität. Anrainer und Gemeinden in Österreich wollen auch auf dem Land das Erdkabel „in sensiblen Gebieten“. Mit dieser Forderung blitzen sie beim zuständigen Energieminister Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) aber ab. Die offizielle Linie des Ministeriums ist: Für die umweltbehördliche Genehmigung der 380-kV-Salzburgleitung sei die Landesregierung zuständig. Die Entscheidung, die Freileitung einzureichen, liege „im alleinigen Verantwortungsbereich der APG“. Das Aktienrecht lasse es nicht zu, dass der Bund diese Unternehmensentscheidung „beeinflusst oder gar revidiert“. Au-
„ Deutschland zeigt es: Das Kabel ist Stand der Technik.“
Anton Steiner, Anrainer, Scheffau
ßerdem betont das Ministerium in Wien, dass der neue deutsche Vorrang für das Kabel für Gleichstromtrassen gelte (etwa das Projekt Südlink, Anm.). Zur Erklärung: Gleichstrom kommt praktisch nur für sehr lange Strecken ohne lokale Anschlüsse infrage. Am Anfang und am Ende sind teure und große Umrichter zum Wechselstrom nötig.
Salzburgs Kabelkämpfer können sich sowohl Wechselstromals auch Gleichstrom-Kabel vorstellen. Man wolle die Leitung nicht verhindern. Eine Strecke in Stollen etwa wäre viel kürzer und rascher zu genehmigen, sagt der Tennengauer Trassenanrainer Anton Steiner. Die Freileitung sei eine „Alttechnik“und das alte Argument, das Kabel sei nicht Stand der Technik, widerlegt.
An LH Wilfried Haslauer (ÖVP) wandte sich NaturschutzbundChef Hans Kutil. Kutil kritisiert Fehler im laufenden Umweltverfahren für die Freileitung. Der Landeshauptmann verwies lediglich auf die Behörde. Verfahrensleiterin Eva Hofbauer sieht keinen Grund zu Korrekturen.