Vom Flüchtling zum guten Freund
Wie reagieren, wenn plötzlich Flüchtlinge in der Nachbarschaft einziehen? Bärbel Schalber ging auf sie zu und bekam viel mehr zurück als erwartet.
Zwei Salzburger erzählen, wie die Hilfe für Flüchtlinge ihr Leben reicher gemacht hat. Bärbel Schalber, ehemalige Gemeinderätin in der Stadt, sieht in ihrem Schützling Saad sogar einen „Adoptivsohn“.
SALZBURG. Anfang Februar erfuhren die Anrainer der MichaelPacher-Straße 27 bei einem Informationsgespräch, dass Flüchtlinge in das ehemalige Gebäude des Unabhängigen Verwaltungssenats einziehen. „Das war vier oder fünf Tage, bevor sie gekommen sind, das ist alles sehr schnell gegangen“, erinnert sich Bärbel Schalber. Weil sie sich für manche Wortmeldungen ihrer Nachbarn „furchtbar geschämt“habe, beschloss sie, mit gutem Beispiel voranzugehen.
Als Fremdenführerin veranstaltete sie mit den Flüchtlingen Stadtführungen. So lernte sie Saad aus Syrien kennen: „Er hat für mich vom Englischen ins Arabische übersetzt und wir haben uns sofort gut verstanden.“Der 41-Jährige will seinen Nachnamen nicht in der Zeitung lesen, weil er Angst um seine Familie hat, die noch in Syrien ist. „Saad ist so alt wie meine Tochter. Also habe ich ihn quasi ‚adoptiert‘.“
Dass die Chemie zwischen den beiden stimmt, ist unverkennbar. Über manche Themen, wie Religion, wird heftig diskutiert, über andere kulturelle Unterschiede herzlich gelacht. „Saad will lieber im Schatten sitzen, ich in der Sonne“, zieht ihn die 64-Jährige auf. Er erwidert: „Du fährst auf Urlaub und zahlst dafür, dass du braun wirst. Ich bin schon dunkel.“Auch die Hitze möge er nicht. In Syrien sei es zwar heißer als in Österreich, aber dort sei vor seiner Flucht, in seinem alten Leben, alles klimatisiert gewesen – „meine Wohnung und mein Auto auch“.
Seine Frau, seine kleine Tochter und sein Leben in Syrien habe er vor einem Jahr zurücklassen müssen. Gemeinsam mit seinem Bruder flüchtete er von der Türkei über Griechenland und Alba- nien nach Wien. Den Schleppern musste er 13.000 Euro bezahlen.
Derzeit ist er gerade dabei, Deutsch zu lernen – die Voraussetzung dafür, dass er sich beim AMS um einen Job bewerben kann. In seiner Heimat hat er bei Johnson & Johnson gearbeitet und Ärzte in die Verwendung hochsensibler medizinischer Geräte eingeschult.
Sein Antrag auf Asyl wurde rasch genehmigt. „Dann haben mein Mann und ich ihm gehol- fen, eine Wohnung zu finden“, erzählt Schalber. Die Vorurteile, auf die sie dabei gestoßen seien, hätten sie erschüttert. „Viele Vermieter geben einem Flüchtling keine Chance. Ohne dass sie jemals mit ihm geredet haben.“Schließlich wurden sie in Ebenau fündig.
Der Kontakt ist weiterhin aufrecht. Schalber kocht regelmäßig für Saad. „Seine österreichische Lieblingsspeise ist Wiener Schnitzel – ich glaube wegen der Preiselbeeren. Aber mein Gulasch hat ihm nicht geschmeckt“, sagt sie fast ein bisschen empört. „Not well done“, bekräftigt Saad – das Fleisch sei für seinen Geschmack zu fest gewesen.
Auch sonst ist für Redestoff gesorgt. Saad ist begierig, sich „so schnell wie möglich zu integrieren“. Schalber sagt, dass sich Saad sehr viele Gedanken darüber mache. „Er schimpft seinen Bruder, wenn der bei Rot über die Kreuzung geht. Er sagt: ‚ Wir sind hier nicht zu Hause, wir müssen uns besser benehmen.‘“In einem Brief schreibt er: „Wir werden hart daran arbeiten, einige der Ängste gegenüber Flüchtlingen zu beseitigen. Wir sind gute Menschen.“
Was rät Schalber anderen Menschen, in deren Nähe sich ein Flüchtlingsquartier befindet? „Einfach einmal vorbeischauen, grüßen und mit ihnen reden. Die freuen sich über jedes freundliche Wort. Und man kann ihnen auch freundlich sagen, wenn etwas nicht passt.“Sie persönlich habe enorm profitiert von ihrer Erfahrung mit den Flüchtlingen: „Das gibt mir wieder so viel Energie und Lebenslust. Ich habe mich selten so lebendig gefühlt“, sagt sie.
„ Seine österreichische Lieblingsspeise ist Wiener Schnitzel.“
Eine Erfahrung, die auch Peter Graski gemacht hat. Er war vor seiner Pensionierung Geschäftsführer von Miele. „Eine gute Bekannte hat einen unbegleiteten minderjährigen Flüchtling betreut, der in Hallein beim Verein menschen.leben untergebracht war. Ich hab mir das angeschaut und mir gedacht, das könnte ich versuchen.“Graski kümmert sich nun schon seit drei Jahren um Assef aus Afghanistan, der mit 14 Jahren geflohen ist. Es sei besser, ihn nicht auf die Gründe dafür anzusprechen: „Er ist traumatisiert.“Graski nahm sich des Jugendlichen an, zeigte ihm Salz-