Es braucht Maßnahmen gegen Arbeitslosigkeit, nicht gegen Arbeitslose
Wenn sich Arbeit lohnen soll, gilt es die Arbeitsanreize zu stärken und ausreichend Beschäftigung zu schaffen. Ein Gastkommentar.
Ist es der Vorwahlkampf, das Ablenken vom Flüchtlings- oder Heta-Problem oder nur das Sommerloch? Die jüngste Diskussion über Leistungen für Arbeitslose läuft an den Fakten vorbei, die daher in Erinnerung zu rufen sind.
Die Leistungen seien zu hoch: Der internationale Vergleich legt das Gegenteil nahe. Mit einer Ersatzrate von 55 Prozent des vorherigen durchschnittlichen Nettoeinkommens liegt Österreich hinter Dänemark, Schweden oder den Niederlanden (alle über 70 Prozent) und sogar Deutschland (60 Prozent). Ähnliches gilt für die absoluten Beträge, die sich 2014 bei Arbeitslosengeld und Notstandshilfe im Schnitt auf 26,60 Euro pro Tag beliefen.
Die Leistungsvoraussetzungen seien zu großzügig: Seit Jahren gibt es im Rahmen der maßgebenden „Zumutbarkeit“kein Recht mehr, nur in den bisherigen Beruf vermittelt zu werden. Auch die kritisierte Begrenzung der Wegzeit auf zwei Stunden täglich für Hin- und Rückfahrt gilt vor allem für Arbeitslose mit Betreuungspflichten gegenüber Kindern. Und Teilzeitbeschäftigungen sind (zumal für Langzeitarbeitslose) natürlich zumutbar. Nur bringen sie kein ausreichendes Einkommen, schon gar nicht, wenn eine Familie zu erhalten ist.
Leistungen gibt es nur für Arbeitswillige
Damit ist der nicht gegebene „Lohnabstand“angesprochen. Diese Kritik lässt sich für die (notabene aus Beiträgen finanzierten und daher mit legitimen Erwartungen verbundenen) Leistungen der Arbeitslosenversicherung kaum aufrechterhalten. Hier kommt die Bedarfsorientierte Mindestsicherung ins Spiel, die wie die frühere Sozialhilfe ein Mindesteinkommen auch ohne vorherige Beiträge gewährleisten soll. Dafür sind die Länder zuständig, die Mindestsicherung hat nur bundesweite Mindestbeträge gebracht, die monatlich für Alleinstehende bei 827 (für ein Paar bei 1241) Euro liegen. Dazu kommen Zuschläge für Kinder und in einigen Ländern auch für hohe Wohnkosten (die aber in Summe kaum zu höheren Leistungen führen als beim oft beschworenen deutschen „Hartz 4“, das zwar niedrigere Grundbeträge, aber mehr und stärker differenzierte Zusatzleistungen kennt).
Damit könnten arbeitslose Mindestsicherungsbezieher, die für Angehörige zu sorgen haben und in einer Stadt mit teuren Mieten wohnen, Leistungen erhalten, die sogar höher sind als Erwerbseinkommen (der monatliche Median für Unselbstständige lag 2013 unter anteiliger Einrechnung des 13./14. Bezugs bei 1805 Euro netto). Man kann schon bezweifeln, ob diese Leistungen für eine Familie mit Kindern wirklich zu hoch sind, sollte aber vor allem bedenken, dass sie subsidiär sind: Sie gebühren nur bei Fehlen sonstiger Einkünfte oder Unterhaltsansprüche und erst nach Einsatz des verwertbaren Vermögens (bis hin zur Verpfändung des Eigenheims) sowie gegen nachträgliche Ersatzpflichten (auch naher An- gehöriger oder Erben). Vor allem aber gibt es Mindestsicherung – wie Arbeitslosengeld und Notstandshilfe – nur für Arbeitswillige. Wer seine Arbeitskraft nicht einsetzen will (und nicht arbeitsunfähig oder in Ausbildung ist bzw. zwingende Betreuungspflichten hat), verliert seine Ansprüche. Wer dagegen arbeitet und nicht genug verdient, kann ebenfalls Mindestsicherung beanspruchen. Das erfolgt freilich kaum, aus Sicht der Betroffenen wegen der strengen Bedingungen und der drohenden Stigmatisierung im Umfeld (übrigens ein Hauptgrund für die viel stärkere Inanspruchnahme in größeren Städten). Auch für die Gesellschaft kann ein Aufstocken von Niedriglöhnen durch Sozialleistungen nicht erwünscht sein: Abgesehen von der Erhöhung der Staatsausgaben würde das nur bewirken, dass die Arbeitseinkommen gerade im Niedriglohnbereich weiter sinken würden. Österreich wird dennoch nie mit Billiglohnländern in Osteuropa oder Asien konkurrieren können. Ein „Kombilohn“kann sinnvoll sein, etwa für Menschen, die gesundheitsbedingt in eine schlechter bezahlte Tätigkeit wechseln müssen, aber nicht als Lohnsubvention. Das würde nur den Lohndruck und in der Folge die Armutsgefährdung (auch für die bisher regulär Beschäftigten und passabel Verdienenden!) weiter verstärken. Gleiches gilt für den Ansatz, Arbeitslose auch unterkollektivvertraglich entlohnen zu dürfen, der in Deutschland dazu beigetragen hat, dass ein gesetzlicher Mindestlohn notwendig wurde.
Wenn sich Arbeit lohnen soll, gilt es vielmehr die Arbeitsanreize zu stärken. Das könnte dadurch erfolgen, dass Arbeitslose einen Teil ihrer Sozialansprüche behalten, wenn sie wieder in Arbeit stehen, damit sie wieder nachhaltig Fuß fassen können. Auch eine Senkung von Lohnnebenkosten wäre – zumal für die Arbeitgeber – hilfreich. Um für fast 400.000 Arbeitslose Beschäftigung zu generieren, wird es vor allem wirtschafts- und konjunkturpolitischer Maßnahmen einschließlich einer klugen Arbeitszeitverkürzung (mehr Freizeit statt Lohnerhöhung) bedürfen. Die Verschärfung von Zumutbarkeitsbestimmungen oder die Kürzung von Leistungsansprüchen schafft dagegen gewiss keine Arbeitsplätze!