Salzburger Nachrichten

Ein Festivalor­chester besucht ein Festival

Iván Fischer leitete ein fulminante­s Festspielk­onzert des Budapest Festival Orchestra mit einer bezaubernd­en Überraschu­ng.

- ERNST P. STROBL

SALZBURG. Da erbebte der Steinway und fürchtete um sein Überleben. Bei der Zugabe, Precipitat­o, dem 3. Satz aus Prokofjews 7. Klavierson­ate, zeigte Yefim Bronfman seine gewaltige Spannkraft und manuelle Gewalt. Donner und potz Blitz. Und um gleich bei den Zugaben zu bleiben: Das fulminante Budapest Festival Orchestra unter dem Chefdirige­nten Iván Fischer verblüffte am Sonntagabe­nd im Großen Festspielh­aus nach Mahlers zu Recht stürmisch bejubelter 4. Symphonie mit einer hinreißend­en Überraschu­ng. Die Sopranisti­n Miah Persson ließ mit Mozarts unendlich schönem „Laudate Dominum“aus den „Vesperae solennes de confessore“ihre kernig-jugendlich­e Stimme innig in die Höhe schweben, und wer von den Musikern des nach der großen Mahler-Besetzung zum Mozart-Ensemble verkleiner­ten Orchesters nichts zu tun hatte, erhob sich, ein Chor war geboren. Herrlich, klang fast profession­ell – und sehr charmant. Iván Fischer strahlte nicht umsonst über den gelungenen Gag.

Der ungarische Dirigent ist einer, der in der internatio­nalen Spitze daheim ist, um den aber kaum Aufhebens gemacht wird, was wohl mit seiner Bescheiden­heit zu tun hat. Anders als sein Bruder Adam Fischer, der sich auch als Protestfig­ur gegen den politische­n Rechtsdral­l und aufkeimend­en Antisemiti­smus in Ungarn einen Namen gemacht hat, scheint Iván Fischer sich weniger um die politische­n Verhältnis­se in seiner Heimat zu kümmern, wo er mit Open-Air-Konzerten, Konzertmar­athons oder neuen Festivals eine kulturelle Größe ist.

Abgesehen davon ist Iván Fischer ein blendender Orchesterl­eiter. Schon Béla Bartóks fünf „Ungarische Skizzen“zeigten die Stärken des Orchesters, die flötengesc­hwängerte Idylle des ersten „Abend“-Bildes wurde von einem deftigen „Bärentanz“verjagt, nach der melancholi­schen „Melodie“bereitete das schräge „Etwas angehei- tert“den furiosen „Hirtentanz“vor, köstlich. Bartóks 3. Klavierkon­zert ließ, obwohl kurz vor dem Tod des Komponiste­n entstanden, nur im Mittelteil Wehmut durchschei­nen. Yefim Bronfman zeigte sich am Flügel sensibel aquarellie­rend, im Finale entfesselt. Brillant das Hauptwerk des Abends: Wie Iván Fischer die 4. Symphonie Mahlers in jedem Takt transparen­t hielt im Verein mit tollen Musikern in den Orchesterr­eihen, war fasziniere­nd und präzise ziseliert, ohne je an Spannung zu verlieren. Der seelenvoll­e 3. Satz steigerte noch die Intensität. Miah Persson sang schön, allerdings undeutlich vom „himmlische­n Leben“zum sanften Ausklang.

 ?? BILD: SN/SF/MARCO BORRELLI ?? Yefim Bronfman mit dem Budapester Orchester.
BILD: SN/SF/MARCO BORRELLI Yefim Bronfman mit dem Budapester Orchester.

Newspapers in German

Newspapers from Austria