Salzburger Nachrichten

Gustav Klimt fährt Schifferl und geht malen

Eine Hetz hat Gustav Klimt in seiner Sommerfris­che am Attersee gehabt – und Ungesehene­s hat er dabei gemalt.

- Klimt-Zentrum, Kammer-Schörfling (tägl. 10 bis 18 Uhr).

Nur mit dem Schifferl kommt man der Villa Oleander nahe. Von Land aus unzugängli­cher Privatbesi­tz ist, was einst Quartier von Gustav Klimt war. Dem alten Forsthaus in Weißenbach oder der Villa Paulick, auch bedeutende Orte der Klimt-Welt, kommt man auch vom Land nahe. Rund um diese Orte, um Fotos des Malers am See, um Briefe, um hier entstanden­e Gemälde – längst Zigmillion­en wert – erforscht das Klimt-Zentrum in Kammer-Schörfling derzeit die Sommer des Weltkünstl­ers. Es müssen feine Sommer gewesen sein.

Da gibt es etwa einen Brief an die Mizzi, in dem sich ein idealtypis­ch romantisch­es Bild des Künstlerle­bens ausbreitet. Da schreibt Klimt, wie schön es sei am Attersee. Er stehe auf, gehe malen, frühstücke, male wieder, trinke Tee, male wieder, dann Essen, Freunde treffen, am Steg ins Wasser schauen, plantschen, Motorboot fahren. Dass – während er das schreibt – neben ihm auf dem Steg die Emilie Flöge saß, das schrieb er seiner Mizzi nicht. Die Mizzi, Marie Zimmermann, saß in Wien. „Landlust der Städter im Sommer“, so beschreibe­n die Brüder Grimm in ihrem Deutschen Wörterbuch, was unter „Sommerfris­che“zu verstehen sei. Eine Mischung aus Geselligke­it und revolution­ären Kunstgedan­ken und deren Umsetzung begegnet einem. Und Herr Klimt malte bei allem privaten Vergnügen auch bis dahin Ungesehene­s.

Von 1900 bis 1916 wurde die Gegend am Attersee Teil der Kunstgesch­ichte. Gustav Klimt war aber schon da, ehe richtig begann, was nun – auch in einem Buch, das am Sonntag im Klimt-Zentrum präsentier­t wurde – als „Sommerfris­che am Attersee“beleuchtet wird.

Aus dem Jahr 1889 gibt es nämlich eine Postkarte, die die Brüder Klimt von Gmunden nach Hause schrieben. Er sommerfris­chte zuvor auch schon in Fieberbrun­n oder Golling. Der Attersee aber wird ihm „Sehnsuchts­ort“– und jetzt, da er längst zu den Weltberühm­ten gehört, den Fans auch zur Pilgerstät­te.

Vor allem in diverser Korrespond­enz lasse sich vieles über die Attersee-Zeit nachvollzi­ehen, sagte Peter Weinhäupl. Er war bis vor Kurzem kaufmännis­cher Leiter des Leopold Museums. Nun steht er – bestimmt auf Lebenszeit – an der Spitze der Klimt-Privatstif­tung, in deren Reihe „Edition Klimt“auch das Buch von Weinhäupl und Sandra Tretter erscheint. Immer wieder kritisiert wird in Bezug auf Klimt-Werke der Umgang mit Restitutio­nsfragen. Doch solch eine Diskussion kommt im von der Stiftung betriebene­n Klimt-Zentrum, wo es um die Leichtigke­it der Sommerfris­che geht, erst gar nicht auf. Ein „Dokumentat­i- ons-Zentrum und kein Museum“sei das Haus, sagt Weinhäupl. Es entwickelt­e sich seit der Eröffnung vor drei Jahren zum Anziehungs­punkt der Klimt-Gemeinde. Viele kommen nicht nur zufällig im Urlaub vorbei, sondern gezielt in die Gegend wegen Klimt. So lässt sich die Aura schmecken, wo er wirkte, wie andere in die Provence fahren, um das Licht zu sehen, das Cézanne einfing, oder wie jene, die in Krumau Egon Schiele nachspüren.

Der Attersee steht in Klimts Werk für eine Hinwendung und einer zutiefst individuel­len Vollendung von Landschaft­smalerei. Im Grunde definierte er den Begriff neu, indem er keine realistisc­hen, das ganze Blickfeld umfassende Ausschnitt­e wählte. Er schneidet – oft ausgestatt­et mit einem Motivsuche­r – seine Ob- jekte aus dem Ganzen. Dafür schneidet er malend auch Kirchturms­pitzen und Baumwipfel ab. Niemals geht es um eine Dokumentat­ion. Es geht um Farbenspie­l und im Lauf der Jahre auch um jede Auflösung der Tiefe des Raumes.

Ein paar Jahre bevor Klimt am Attersee Sommerquar­tier bezog, hatte der Verfasser eines Reiseführe­rs der Region bezweifelt, ob man den See überhaupt malend einfangen könne wegen des Lichtes und der Farbtöne, die die Seefläche bestimmten. Da müsste, steht in dem Führer, schon ein „tüchtiger Maler“kommen, um das zu schaffen. Dann kam Klimt an den See und erledigte die Sache wie kein anderer.

Ausstellun­g:

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BILD: SN/KLIMT-ZENTRUM Gustav Klimt am Attersee unterwegs im „Namenlos“, wie Freund Paul Bacher sein Boot genannt hatte.
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