Mozart in ungewöhnlichem Licht
Mozarts „Così fan tutte“wird in Stockholm unter besonderen Umständen gezeigt.
Der schwedische Dirigent Arnold Östman brachte in den 1980er- und 1990er-Jahren am Drottningholm-Theater in Stockholm Mozarts Opern mit historischen Instrumenten zur Aufführung und setzte sich dazu noch eine Perücke aus der Mozartzeit auf den Kopf. Was ihn damals auszeichnete, war eine Vorliebe für überdrehte Tempi. Ein Rüttler an Mozarts Phrasierung war er jedoch nie. Und die Zurückführung der Dynamik auf fein austarierte Tempoabstufungen ist ihm bis heute wichtig geblieben, auch wenn – was das Tempo betrifft – aus dem Revoluzzer von einst ein nun 76-jähriger maßvoller Reformer geworden ist.
Im Confidencen, dem ältesten Theater der schwedischen Hauptstadt in Schloss Ulriksdal, das um die Mitte des 18. Jahrhunderts von einem Stall zum Theatersaal umgebaut worden ist, leitet er jetzt „Così fan tutte“fern der alten Hochgeschwindigkeits-Attitüde. Aber nicht nur das ist das Besondere an den Aufführungen. Die Vorstellungen finden bei Kerzenlicht statt. Man ahnt ja nicht, wie wenige Kerzen auf einer kleinen Bühne als Lichtquelle genügen: Vier Paar leuchten an der Rampe über den Köpfen der Sänger, an der Rampe selbst werden die Sänger mit Flackerlicht vom Boden her angeleuchtet und weiter hinten befinden sich seitlich zwischen den Prospekten in Kopfhöhe weitere Kerzen. Der Effekt: Die ganze Bühne ist in ein warmes, nicht besonders helles Licht getaucht. Nur die Rampe ist etwas heller beleuchtet. Je weiter man in die Bühne schaut, desto dämmriger ist das Licht. Was dort geschieht, nimmt man in einer Mi- schung aus Sehen und Ahnen wahr. Da kann man sich, im Falle von „Così fan tutte“, gut vorstellen, dass nicht klar ist, wer sich hinter den falschen walachischen Bärten der Liebhaber verbirgt.
Alle Da-Ponte-Opern Mozarts spielen mit dieser Ungewissheit, auch „Don Giovanni“und „Le nozze di Figaro“, wo ja der ganze letzte Akt in ein schummriges Dunkel getaucht ist. Das erlaubt eine sanftere Dramaturgie und verbietet Aktualisierungen und Versetzungen in die elektrische Zeit.
Im Confidencen arbeitet Arnold Östman mit jungen Sängern, die im deutschen Sprachraum niemand kennt, und mit einem kammermusikalischen Ensemble, in dem nur die Bratschen doppelt besetzt sind, während die Violinen solistisch agieren. Je ein Horn, eine Flöte, Oboe und Klarinette treten hinzu. Östman hat die Besetzung selbst eingerichtet. Das klingt um vieles weicher als ein „großes“MozartOrchester und verändert die musikalische Sicht aufs Werk.
Hier wird mit historischen, alten Instrumenten gearbeitet. Auch in der Regie steht das Historische im Vordergrund. Das schummrige Licht legt ein vages Agieren nahe. Das Gestische dominiert – wie auf einer großen Freilichtbühne – über genaue psychologische Personenführung. Das mag auch damit zu tun haben, dass der Regisseur, Nathaniel Øigaard Nelson, jung und die Probenzeit kurz ist.
Vor Jahren schon hat Arnold Östman von seiner Idee erzählt, auch das Licht in die historische Aufführungspraxis miteinzubeziehen. Jetzt kann man sehen, was er gemeint hat. Ob das Licht tatsächlich historisch ist, bleibt freilich eine Frage. Man weiß, wie elaboriert das Spiel auf dem Theater im Barock gewesen war und welche raffinierten Effekte es gekannt hatte. Was im Confidencen-Theater gezeigt wird, ist sozusagen die Grundeinstellung. Sie führt vor, welchen Zauber Kerzenlicht entfalten kann. Und wenn man sich die moderne Aus- oder besser: Aufrüstung im berühmteren DrottningholmTheater ansieht, die dort für die „Hochzeit des Figaro“unter Marc Minkowski bereitsteht und vom historischen Bühnenambiente nichts unangetastet lässt, könnte man durchaus zu dem Schluss kommen, dass das kleine Confidencen, das älteste Theater Stockholms, der historischen Aufführungswahrheit doch ein Stück näher ist.