Betriebe, die noch neue Jobs schaffen
Die Arbeitslosigkeit steigt und steigt. Viel ist davon zu hören und zu lesen, wie es den Arbeitslosen geht. Aber wie geht es denen, die trotz allem noch Arbeitsplätze schaffen? Ein Betriebsbesuch.
Viel ist davon zu hören und zu lesen, wie es den Arbeitslosen geht. Aber wie geht es denen, die trotz allem noch Arbeitsplätze schaffen? Die SN besuchten einen erfolgreichen Exportbetrieb in Oberösterreich und erfuhren neben einer beeindruckenden Firmengeschichte viel über sinnlose Bürokratie und die Angst, dass in diesem Land irgendwann kaum noch Güter produziert werden.
In der großen Halle wird gerade eine Maschine in eine Überseekiste verpackt. Die aufgeklebte Adresse liegt irgendwo in China, der Absender lautet: Gurten (OÖ).
Gurten? Was kann die 1100-Seelen-Gemeinde im Innviertel an die Weltmacht China liefern? Allerhand. Denn Gurten ist der Standort des Maschinenherstellers Fill, Weltmarktführer in der Aluminium-Entkerntechnologie. 700 Mitarbeiter, Exportquote 90 Prozent.
Die Geschichte von Fill zeigt beispielhaft, wie Österreich dank Fleiß und Erfindungsreichtum sogar im Wettbewerb mit Industriegiganten bestehen und hochwertige Arbeitsplätze schaffen kann. Angefangen habe alles ganz klein, erzählt Geschäftsführer und Alleineigentümer Andreas Fill. 1966 gründete sein Vater in Gurten eine kleine Reparaturwerkstätte für landwirtschaftliche Maschinen. Der erste Auftrag, eine Maschine zu bauen, kam vom benachbarten Skihersteller Fischer. So gelang der Einstieg in die Skibranche.
Als sich der Skibau zu wandeln begann, lernte das Unternehmen, mit Kunststoff, Karbon und Stahlkanten umzugehen. Damit war der Weg zur Metallverarbeitung vorgegeben. Und heute ist die Automobilindustrie der größte Abnehmer von Fill-Maschinen. Weltweit werden jährlich 16 Millionen Zylinderköpfe, 300 Millionen Fahrwerksteile und 200 Millionen Türscharniere auf Anlagen aus Gurten produziert. In China und Mexiko unterhält das Unternehmen Service- und Vertriebsniederlassungen.
Die Produktion bleibt aber in Oberösterreich. „Ich investiere gerade 30 Millionen Euro in den Standort Gurten“, erzählt Fill. „Warum? Weil wir hier in Österreich alles haben, was wir brauchen: Wir leben in einer Gegend, in der andere Urlaub machen. Wir haben ein sicheres Land, eine saubere Umwelt und hervorragende Fachkräfte.“Dank der guten Hauptschulen und Höheren Technischen Lehranstalten in der Umgebung stimme auch die Qualität der Lehrlinge. Alles in Ordnung also? Fills Gesicht verfinstert sich etwas. „Ich bin grundsätzlich ein sehr positiver Mensch“, sagt er. „Aber die Bürokratie hierzulande ist ein Wahnsinn. Wir sind drauf und dran, uns aus dem internationalen Markt zu schießen. Es wird einfach zu viel Politik gemacht!“
Jeder Politiker schaue nur auf seine Klientel und wolle dieser jedes Jahr irgendeine Verbesserung bieten, damit er einen Erfolg vorweisen könne. So werde den Unternehmern vom Gesetzgeber etwa für alles und jedes ein Beauftragter vorgeschrieben. „Bald werde ich einen Beauftragten für alle diese Beauftragten brauchen“, klagt Fill. Was dabei vergessen werde, sei, dass all die Beauftragten und Kontrollore nicht produktiv tätig seien. „Ein Beauftragter baut keine Maschine und verkauft keine Maschine.“Noch schlechter zu sprechen ist der Unternehmer auf die Arbeitszeitregelung. „Schutzrichtlinien sind wichtig, aber sie müssen realistisch sein“, sagt Fill. „Denn dem Kunden ist die Arbeitszeit egal, er will ein funktionierendes Produkt.“Installiere ein Mitarbeiter eine neue Ma- schine, könne er nicht einfach sagen: Jetzt ist die Arbeitszeit zu Ende und ich lasse alles liegen und stehen. Denn dann werde der Kunde die Firma wechseln. „Dann können wir die Arbeitszeithöchstgrenzen leicht einhalten, weil wir nämlich keine Arbeit mehr haben.“
Die Überbürokratisierung sei aber kein rein österreichisches Problem. Wenn ein Mitarbeiter auf Montage nach Spanien fahre, brau- che er nicht nur Sicherheitsschuhe, sondern auch ein Zertifikat, dass die Schuhe sicher sind. Anderswo müsse der Monteur seinen Blutdruck messen lassen, weil er sonst gar nicht auf ein Gerüst steigen dürfe, erzählt der Unternehmer.
Die Kammern und Parteien sollten bei ihren Vorschlägen nie vergessen: „Wenn der Betrieb stirbt, hat der Mitarbeiter nichts davon. Man muss in Generationen denken, nicht von einer Wahl zur nächsten“, fordert Fill, in dessen Firma reihenweise Zertifikate für besondere Familienfreundlichkeit hängen.
Auch die Forderung der Gewerkschaft, jede Überstunde mit einem Euro Strafe zu belegen, hält er für absurd. „Viele Mitarbeiter wollen Überstunden machen“, sagt er. „Wenn wer auf Montage in Russland oder China ist, was glauben Sie, ist ihm lieber – 35 Stunden zu arbeiten und dann im Hotel Daumen zu drehen? Oder 50 Stunden arbeiten, damit er schneller wieder nach Hause kommt?“Der Über- stunden-Euro sei „der blanke Wahnsinn, ein Horrorszenario“.
Nein, er habe trotzdem nie daran gedacht, seinen Standort ins Ausland zu verlegen, sagt der begeisterte Innviertler. Aber etwas mehr Unternehmerfreundlichkeit würde er sich schon wünschen. „Die Arbeitgeber sind immer die Bösen“, sagt Fill. „Versteht die Politik nicht, wie wichtig die Industrie als Arbeitgeber ist? Von uns kommt mehr als die Hälfte aller Arbeitsplätze!“
Der Industriestandort Österreich müsse daher unbedingt gestärkt werden. „Wir sollten nicht abrutschen wie Italien oder Frankreich, ein solches Szenario würde mir Angst machen“, sagt Fill. „Denn vom Tourismus allein können wir nicht leben.“Irgendwer müsse Güter schaffen und etwas produzieren. Dafür sei es wichtig, dass die Industrie in einem positiven Klima arbeiten könne. „Denn ohne unsere 700 Arbeitsplätze und die der 50 bis 60 Zulieferer in der Region würde es hier düster ausschauen.“
„Es wird einfach zu viel Politik gemacht.“
Andreas Fill, Unternehmer