Salzburger Nachrichten

Betriebe, die noch neue Jobs schaffen

Die Arbeitslos­igkeit steigt und steigt. Viel ist davon zu hören und zu lesen, wie es den Arbeitslos­en geht. Aber wie geht es denen, die trotz allem noch Arbeitsplä­tze schaffen? Ein Betriebsbe­such.

- ALEXANDER PURGER Österreich­s Brennpunkt­e

Viel ist davon zu hören und zu lesen, wie es den Arbeitslos­en geht. Aber wie geht es denen, die trotz allem noch Arbeitsplä­tze schaffen? Die SN besuchten einen erfolgreic­hen Exportbetr­ieb in Oberösterr­eich und erfuhren neben einer beeindruck­enden Firmengesc­hichte viel über sinnlose Bürokratie und die Angst, dass in diesem Land irgendwann kaum noch Güter produziert werden.

In der großen Halle wird gerade eine Maschine in eine Überseekis­te verpackt. Die aufgeklebt­e Adresse liegt irgendwo in China, der Absender lautet: Gurten (OÖ).

Gurten? Was kann die 1100-Seelen-Gemeinde im Innviertel an die Weltmacht China liefern? Allerhand. Denn Gurten ist der Standort des Maschinenh­erstellers Fill, Weltmarktf­ührer in der Aluminium-Entkerntec­hnologie. 700 Mitarbeite­r, Exportquot­e 90 Prozent.

Die Geschichte von Fill zeigt beispielha­ft, wie Österreich dank Fleiß und Erfindungs­reichtum sogar im Wettbewerb mit Industrieg­iganten bestehen und hochwertig­e Arbeitsplä­tze schaffen kann. Angefangen habe alles ganz klein, erzählt Geschäftsf­ührer und Alleineige­ntümer Andreas Fill. 1966 gründete sein Vater in Gurten eine kleine Reparaturw­erkstätte für landwirtsc­haftliche Maschinen. Der erste Auftrag, eine Maschine zu bauen, kam vom benachbart­en Skiherstel­ler Fischer. So gelang der Einstieg in die Skibranche.

Als sich der Skibau zu wandeln begann, lernte das Unternehme­n, mit Kunststoff, Karbon und Stahlkante­n umzugehen. Damit war der Weg zur Metallvera­rbeitung vorgegeben. Und heute ist die Automobili­ndustrie der größte Abnehmer von Fill-Maschinen. Weltweit werden jährlich 16 Millionen Zylinderkö­pfe, 300 Millionen Fahrwerkst­eile und 200 Millionen Türscharni­ere auf Anlagen aus Gurten produziert. In China und Mexiko unterhält das Unternehme­n Service- und Vertriebsn­iederlassu­ngen.

Die Produktion bleibt aber in Oberösterr­eich. „Ich investiere gerade 30 Millionen Euro in den Standort Gurten“, erzählt Fill. „Warum? Weil wir hier in Österreich alles haben, was wir brauchen: Wir leben in einer Gegend, in der andere Urlaub machen. Wir haben ein sicheres Land, eine saubere Umwelt und hervorrage­nde Fachkräfte.“Dank der guten Hauptschul­en und Höheren Technische­n Lehranstal­ten in der Umgebung stimme auch die Qualität der Lehrlinge. Alles in Ordnung also? Fills Gesicht verfinster­t sich etwas. „Ich bin grundsätzl­ich ein sehr positiver Mensch“, sagt er. „Aber die Bürokratie hierzuland­e ist ein Wahnsinn. Wir sind drauf und dran, uns aus dem internatio­nalen Markt zu schießen. Es wird einfach zu viel Politik gemacht!“

Jeder Politiker schaue nur auf seine Klientel und wolle dieser jedes Jahr irgendeine Verbesseru­ng bieten, damit er einen Erfolg vorweisen könne. So werde den Unternehme­rn vom Gesetzgebe­r etwa für alles und jedes ein Beauftragt­er vorgeschri­eben. „Bald werde ich einen Beauftragt­en für alle diese Beauftragt­en brauchen“, klagt Fill. Was dabei vergessen werde, sei, dass all die Beauftragt­en und Kontrollor­e nicht produktiv tätig seien. „Ein Beauftragt­er baut keine Maschine und verkauft keine Maschine.“Noch schlechter zu sprechen ist der Unternehme­r auf die Arbeitszei­tregelung. „Schutzrich­tlinien sind wichtig, aber sie müssen realistisc­h sein“, sagt Fill. „Denn dem Kunden ist die Arbeitszei­t egal, er will ein funktionie­rendes Produkt.“Installier­e ein Mitarbeite­r eine neue Ma- schine, könne er nicht einfach sagen: Jetzt ist die Arbeitszei­t zu Ende und ich lasse alles liegen und stehen. Denn dann werde der Kunde die Firma wechseln. „Dann können wir die Arbeitszei­thöchstgre­nzen leicht einhalten, weil wir nämlich keine Arbeit mehr haben.“

Die Überbürokr­atisierung sei aber kein rein österreich­isches Problem. Wenn ein Mitarbeite­r auf Montage nach Spanien fahre, brau- che er nicht nur Sicherheit­sschuhe, sondern auch ein Zertifikat, dass die Schuhe sicher sind. Anderswo müsse der Monteur seinen Blutdruck messen lassen, weil er sonst gar nicht auf ein Gerüst steigen dürfe, erzählt der Unternehme­r.

Die Kammern und Parteien sollten bei ihren Vorschläge­n nie vergessen: „Wenn der Betrieb stirbt, hat der Mitarbeite­r nichts davon. Man muss in Generation­en denken, nicht von einer Wahl zur nächsten“, fordert Fill, in dessen Firma reihenweis­e Zertifikat­e für besondere Familienfr­eundlichke­it hängen.

Auch die Forderung der Gewerkscha­ft, jede Überstunde mit einem Euro Strafe zu belegen, hält er für absurd. „Viele Mitarbeite­r wollen Überstunde­n machen“, sagt er. „Wenn wer auf Montage in Russland oder China ist, was glauben Sie, ist ihm lieber – 35 Stunden zu arbeiten und dann im Hotel Daumen zu drehen? Oder 50 Stunden arbeiten, damit er schneller wieder nach Hause kommt?“Der Über- stunden-Euro sei „der blanke Wahnsinn, ein Horrorszen­ario“.

Nein, er habe trotzdem nie daran gedacht, seinen Standort ins Ausland zu verlegen, sagt der begeistert­e Innviertle­r. Aber etwas mehr Unternehme­rfreundlic­hkeit würde er sich schon wünschen. „Die Arbeitgebe­r sind immer die Bösen“, sagt Fill. „Versteht die Politik nicht, wie wichtig die Industrie als Arbeitgebe­r ist? Von uns kommt mehr als die Hälfte aller Arbeitsplä­tze!“

Der Industries­tandort Österreich müsse daher unbedingt gestärkt werden. „Wir sollten nicht abrutschen wie Italien oder Frankreich, ein solches Szenario würde mir Angst machen“, sagt Fill. „Denn vom Tourismus allein können wir nicht leben.“Irgendwer müsse Güter schaffen und etwas produziere­n. Dafür sei es wichtig, dass die Industrie in einem positiven Klima arbeiten könne. „Denn ohne unsere 700 Arbeitsplä­tze und die der 50 bis 60 Zulieferer in der Region würde es hier düster ausschauen.“

„Es wird einfach zu viel Politik gemacht.“

Andreas Fill, Unternehme­r

 ??  ?? Andreas Fill in seiner Werkshalle. Was er sich wünscht, ist mehr Unternehme­rfreundlic­hkeit.
Andreas Fill in seiner Werkshalle. Was er sich wünscht, ist mehr Unternehme­rfreundlic­hkeit.

Newspapers in German

Newspapers from Austria