Salzburger Nachrichten

FKK ist für die Jugend tabu

Oben ohne und Nacktbaden passen nicht mehr zum Lebensstil junger Menschen. TV-Serien aus den USA üben starken Einfluss auf deren Moralvorst­ellungen zu Körper und Sexualität aus.

- FRITZ PESSL

SALZBURG. Sich nackt oder halb nackt in der Öffentlich­keit zu zeigen ist bei jungen Leuten völlig aus der Mode geraten. Dieser neue Trend zu Prüderie und Moralvorst­ellungen nach amerikanis­chem Vorbild wird vor allem in Freibädern und an Badeseen offensicht­lich: kaum Mädchen oder junge Frauen, die heute noch oben ohne baden. Und auch die Naturisten­vereine klagen über Nachwuchsp­robleme. „Die Jüngeren sind keine Vereinsmei­er mehr. Sie wollen ihre Freizeit individuel­l gestalten und sich nicht an einen Verein binden“, erzählt Sieglinde Ivo, Präsidenti­n des Österreich­ischen Naturisten­verbands (ÖNV).

Der Dachverban­d von 19 FKKVereine­n zählt heute rund 6000 Mitglieder. Im Jahr 1950 gab es noch 28 Naturisten­vereine „mit sicher doppelt so vielen Mitglieder­n“, sagt Ivo. Der 61-jährigen Oberösterr­eicherin zufolge, die auch Präsidenti­n der Internatio­nalen Naturisten Föderation (INF) ist, sind 70 Prozent der Mitglieder älter als 50 Jahre. Zudem habe früher die Organisati­on in einem Naturisten­verein ganz andere Bedeutung gehabt: „Vor 50 Jahren war Naturismus verpönt und großteils verboten. Daher hat man Vereine und eigene Gelände gebraucht, um Naturismus betreiben zu können. Heute muss man nicht zu einem Verein gehen und 50 bis 100 Euro im Jahr Mitgliedsb­eitrag zahlen, um nackt baden zu können“, erklärt Ivo. Viele FKK-Badeplätze an Seen in Österreich und Deutschlan­d seien frei zugänglich.

Doch selbst diese Gratis-Nacktbadep­lätze werden von jungen Menschen wenig genutzt. Matthias Rohrer vom Institut für Jugendkult­urforschun­g in Wien spricht von einer „Moralisier­ung von Sexualität nach US-Vorbild“. Die Fernsehind­ustrie, die das Thema Liebe auf einen hohen Sockel stelle, nehme starken Einfluss auf junge Erwachsene. Für Rohrer handelt es sich um Scheinmora­l, überzogene Moralvorst­ellungen nach außen. „Der Körper wird aus der Öffentlich­keit in den privaten Raum verdrängt. Körper und Sex sind für Jugendlich­e heute nicht voneinande­r zu trennen. Sie nehmen nicht wahr, dass FKK mit Sexualität nichts zu tun hat“, erzählt der Jugendfors­cher.

Dazu komme, dass für die junge Generation Ästhetik ganz oben stehe. „Es geht sehr viel um Verpackung, weniger um Inhalt und Innenleben. Die FKK-Szene hat keinen ästhetisch­en Ruf“, so Rohrer. „Freikörper­kultur passt nicht in die Lebenswelt Jugendlich­er und deren ästhetisch­en Lifestyle. Sie fühlen sich nicht wohl dabei und tun es daher einfach nicht.“Wenn Jugendlich­e via SMS Nacktfotos austauscht­en oder schon als Zwölfjähri­ge harte Pornofilme anschauten, stehe das nicht im Widerspruc­h, betont Rohrer. „Sie nehmen Kommunikat­ion am Handy als privat wahr.“

Andreas Fischer, Bundesvors­itzender der FKK-Jugend in Deutschlan­d, hat eine andere Wahrnehmun­g: „Jugendlich­e sind durchaus gern nackt, wenn sie unter sich sind. Sie wollen sich nur nicht vor Älteren ausziehen.“Ihr Schamgefüh­l verbiete es ihnen, sich gegenüber der Elterngene­ration nackt zu zeigen. „Wir können uns nicht über mangelnde Anmeldunge­n beklagen. Und bei unseren Jugendcamp­s sind wir die ganze Zeit nackt“, erzählt Fischer.

Naturisten­vereine müssten einfach mehr bieten und moderner werden. „Junge Leute wollen Flachbilds­chirme, Musikanlag­en und Disco. Mit Kaffeekrän­zchen kann man sie nicht anlocken.“Es sei über Jahrzehnte vergessen worden, Angebote und Events für Jugendlich­e zu schaffen.

Das bestätigt Harald Seiss, Obmann des Vereins Sonnenspor­t in Salzburg. „Wir sind interessan­t für die Generation 40 plus.“Das Gros der rund 300 Mitglieder sei älter als 50 Jahre. Ihnen werde auf dem Badegeländ­e in Seekirchen am Wallersee vor allem Ruhe und Erholung geboten, Partys oder laute Musik seien nicht erwünscht. Nachwuchsp­robleme gibt es laut Seiss aber auch, weil Jugendlich­e weder Interesse am Erleben einer Gemeinscha­ft noch an Verpflicht­ungen, wie gemeinsame­s Mähen und Säubern der Anlage, hätten.

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Naturisten­vereine haben ein Problem mit dem Nachwuchs.

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