OMV-Chef liebt Gedichte und Russen
Ex-Wintershall-Chef Rainer Seele verliert keine Zeit bei der Neuausrichtung des österreichischen Öl- und Gaskonzerns. Er will in Russland Fuß fassen, was in Europa nicht allen gefallen könnte.
WIEN. 40 Tage ist der neue OMVChef Rainer Seele im Amt. Den niedrigen Rohölpreis, der auf das Geschäft des größten österreichischen Unternehmens drückt, kann der gebürtige Deutsche nicht beeinflussen. Sonst hat er viel in Bewegung gebracht im Öl- und Gaskonzern, der zuletzt von Intrigen und Streitigkeiten im Vorstand gelähmt war. Er hat entschieden, aus einem umstrittenen Ölbohrprojekt vor der kroatischen Küste auszusteigen, eine Kooperation mit dem russischen Gasriesen Gazprom samt Anteilstausch angekündigt sowie die Beteiligung der OMV am Ausbau der Ostsee-Pipeline Nord Stream.
Die geplante Annäherung an Russland, trotz aller politischen Spannungen, macht Seele kein Kopfzerbrechen. Der ehemalige Vorstandsvorsitzende des größten deutschen Öl- und Gaskonzerns, Wintershall, kennt Russland wie kaum ein anderer. Er ist Chef der deutsch-russischen Außenhandelskammer und ein Freund von Gazprom-Vizechef Alexander Medwedew. „Wir sind völlig auf Linie mit den EU-Sanktionen“, betont Seele, Gazprom ist von den EU-Sanktionen nicht betroffen.
Die geplante Beteiligung an der Entwicklung des westsibirischen Gasfelds Urengoy, des zweitgrößten der Welt, ist ein Novum für die OMV. Was die Gazprom im Gegenzug bekommen wird, ließ Seele weiter offen. Die Gespräche seien noch „in einer embryonalen Phase“sagte er. Man mache aber „keinen Sommerschlussverkauf“bei der OMV. Auch eine Beteiligung am Konzern selbst schloss er kategorisch aus.
Der Einstieg beim Konsortium mit Eon, Shell und Seeles Ex-Arbeitgeber Wintershall bedeutet ebenfalls eine Kursänderung. Bisher bemühte sich die OMV eher um Lei- tungen über den Balkan nach Österreich. Seele will auch bei Nord Stream II, „dass das Gas bis zum österreichischen Verteilerpunkt Baumgarten kommt und damit die Versorgungssicherheit gestärkt wird“. Die zuletzt kolportierte Wiederbelebung der Gasleitung Nabucco hält er für ausgeschlossen.
Im Iran sieht Seele Chancen weniger bei der Gas- als bei der Ölförderung, aber nicht um jeden Preis. Um zu investieren, müsse der Iran wirtschaftlich attraktive Konzes- sionsverträge anbieten und der Ölpreis wieder anziehen, sagte Seele.
Wegen des Ölpreisverfalls hat die OMV im ersten Halbjahr um ein Drittel weniger verdient als 2014. Das (um Lage- und Sondereffekte) bereinigte Betriebsergebnis sank auf 708 Mill. Euro. Gemildert wurden die Einbußen im Ölgeschäft – und der Ausfall der ertragsstarken Lieferländer Libyen und Jemen wegen der Unruhen – durch das starke Geschäft mit der Weiterverarbeitung von Öl zu Treibstoffen und das laufende strikte Sparprogramm. „Derjenige, der in den heutigen Zeiten auch über Raffinerien und Tankstellen verfügt, der kann diese schwierigen Zeiten einigermaßen durchstehen“, betonte Seele.
Weniger glücklich ist der Konzern mit seinem türkischen Tankstellengeschäft, nachdem per Gesetz die Gewinnspannen reduziert wurden. Bis Jahresende soll dieser „Problemfall“entschieden sein.
Dass sich die Rohölpreise schnell erholen, darauf gibt es laut Seele keine Aussicht. Nicht zuletzt deshalb hat der Konzern am Dienstagabend eine Hybridanleihe im Volumen von 500 bis 700 Mill. Euro zur Stärkung der Finanzbasis angekündigt. In dem schwierigen Umfeld brauche die OMV einen „beherzten Schub, einen Aufbruch“, sagte der neue Konzernchef am Mittwoch bei der Präsentation der Halbjahresbilanz. „Genau das werden wir tun.“Anfang 2016 will der Vorstand die künftige strategische Ausrichtung vorlegen. Dabei wird es in erster Linie um das Gasgeschäft gehen. Die Ölproduktion soll zunächst stärker als bisher auf einige Kernländer fokussiert werden. Langfristig soll die OMV aber auch in Russland tätig sein. Bis 2018 – so lang läuft Vertrag des Managers, mit Verlängerungsoption bis 2020 – soll die OMV jedenfalls profitabler sein als zuletzt, sagt Seele.